MargeritenEngel (German Edition)
der Hauswand neben mir wahr. Die Dunkelheit gibt nur einen unbestimmten Schatten preis. Einen Schatten, der meinen Namen flüstert. Ich bin nicht sicher, ob meine Fantasie mir einen Streich spielt.
Ich habe Seitenstechen und drehe mich in die Richtung, aus der die Stimme kommt. Der Schatten verlässt die schützende Hauswand. Schnaufend suche ich nach Worten, nach einer einleuchtenden Erklärung dafür, dass ich wieder zurückgekommen bin. Mir fällt nichts ein.
»Es tut mir leid«, sage ich schließlich in die Stille hinein. Das Blut rauscht in meinen Ohren. Nervös schaue ich Rik an, der inzwischen vor mir steht.
Er sagt nichts. Panik macht sich in mir breit. Ich gehe einen Schritt auf ihn zu. Wir stehen jetzt so dicht beieinander, dass mir sein Duft in die Nase steigt. Er schweigt immer noch. Ich möchte am liebsten wegrennen.
»Es tut mir leid«, sage ich lauter, auch wenn meine Stimme immer noch schwach klingt. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich bin verwirrt und allein und anscheinend… anscheinend haben alle um mich herum gemerkt, dass Kevin nicht gut für mich ist. Nur ich nicht. Vielleicht wollte ich es nicht sehen, oder vielleicht… Ich weiß auch nicht. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Verstehst du? Ich…«
»Dein Geburtstag sollte nicht so enden«, sagt Rik, ohne auf mein Gestammel einzugehen.
»Was?«, frage ich verwirrt.
»Das hast du einfach nicht verdient. Komm mit zu mir.« Er ergreift meine Hand.
Ich verstehe nicht, was Rik vorhat, als er mich energisch hinter sich herzieht. Trotzdem setze ich mich in Bewegung und genieße das warme Gefühl, das von seiner Hand ausgeht. Riks Griff ist fest, als dulde er keine Widerworte oder als hätte er Angst, dass ich doch noch abhauen könnte.
»Okay«, antworte ich verspätet, während ich versuche, mich seinem Tempo anzupassen. Ganz offensichtlich hat er es eilig. Als wir vor seinem Auto stehen bleiben, wächst die Anspannung in mir noch mehr an.
»Was hast du vor?«, frage ich schüchtern.
»Keine Ahnung.« Rik öffnet die Beifahrertür und geht auf die andere Seite. Ich zögere einen Moment, dann steige ich ein. Kaum habe ich die Tür zugezogen, lässt Rik auch schon den Motor an.
»Möchtest du, dass ich dich nach Hause fahre?«, erkundigt er sich. Auch wenn er versucht, seinen Tonfall neutral zu halten, gelingt es ihm nicht. Es beruhigt mich, dass Rik anscheinend auch nicht so richtig weiß, was er machen soll.
»Nein«, antworte ich ehrlich. Darüber muss ich nicht nachdenken. Ich schaue zu ihm hinüber. Er seufzt leise. Seine Mundwinkel zucken, als würde er sich über meine Antwort freuen.
»Gut.« Rik erwidert kurz meinen Blick, bevor er sich wieder auf die Straße konzentriert. Ich lächle dümmlich vor mich hin, bis mein Handy klingelt.
Ein bitteres Gefühl macht sich in meinem Inneren breit. Auch ohne hinzusehen weiß ich, dass es Kevin ist. Einen Moment lang zögere ich, dann drücke ich den Anruf weg und mache mein Telefon aus.
Rik sagt nichts dazu, aber es dauert nicht lange, bis es bei ihm klingelt. Er wirft mir einen Blick zu. Ich schüttle den Kopf, aber er lächelt und nimmt das Gespräch an.
»Hey, Kevin. Er sitzt hier neben mir. Moment.«
Mein Herz bleibt stehen. Zögernd nehme ich sein Handy, während ich überlege, ob ich aus dem fahrenden Auto springen oder alternativ das Handy aus dem Fenster fallen lassen sollte.
»Wieso drückst du mich weg?«, fährt Kevin mich wütend an.
»Ich habe Paul getroffen«, sage ich, ohne auf seinen scharfen Tonfall zu achten. Zum ersten Mal rührt sich so etwas wie Widerstand in mir.
Kevin zischt etwas Unverständliches, dann schweigt er. Ich weiß nicht, was diese Stille bedeuten soll. Denkt er über eine Ausrede nach oder wird ihm bewusst, dass sein Lügengerüst gerade zusammenfällt?
»Und?«, fragt er tonlos.
»Ich weiß nicht, ob ich heute nach Hause komme. Ich… ehrlich gesagt, weiß ich gerade überhaupt nichts mehr…« Ich stottere, dabei wäre ich gern selbstbewusster, aber das war ich bei Kevin noch nie. Mir ist schlecht.
»Du solltest jetzt deinen kleinen Arsch in Bewegung setzen und nach Hause kommen, damit wir das klären können, was immer Paul dir auch für Lügengeschichten erzählt hat«, fährt er mich unvermindert selbstbewusst an.
»Nein«, sage ich trotzig. »Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich anlügt. Weshalb sollte er auch?«
Erneut schweigt Kevin, nur sein hektischer Atem verrät, dass er doch nicht ganz so überlegen ist, wie er
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