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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Green
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offiziell mit dir befreundet sein werde, und außerdem Single, aber sie sagte nur : »Ja, ja, kein Stress.«
    Es war 5 :52 Uhr, als wir Jefferson Park erreichten. Wir fuhren den Jefferson Drive zur Jefferson Court Street hinunter, dann bogen wir in den Jefferson Way, unsere Straße. Ein letztes Mal schaltete ich beim Fahren die Scheinwerfer aus, und im Dunkeln rollten wir in unsere Einfahrt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und Margo sagte auch nichts. Wir sammelten den Müll in einer Seven-Eleven-Tüte ein und versuchten alle Spuren dessen, was sich in den letzten sechs Stunden im Kleinbus abgespielt hatte, zu vernichten. In die andere Seven-Eleven-Tüte packte sie die restliche Vaseline, die blaue Sprühfarbe und die letzte Dose Mountain Dew und überreichte sie mir. Mein Gehirn summte vor Müdigkeit.
    Eine Tüte in jeder Hand, blieb ich vor dem Wagen stehen und sah sie an. »Das war eine wilde Nacht«, flüsterte ich schließlich.
    »Komm her«, sagte sie, und ich ging zu ihr. Dann umarmte sie mich, und die Tüten machten es mir schwer, sie zurück zu umarmen, aber hätte ich die Tüten fallen gelassen, wäre vielleicht jemand aufgewacht. Ich spürte, wie sie sich auf die Zehenspitzen stellte, und dann war ihr Mund an meinem Ohr, und sie sagte ganz klar und deutlich : »Ich werde dich vermissen.«
    »Das musst du nicht«, erwiderte ich laut. Ich versuchte mir die Enttäuschung nicht anhören zu lassen. »Wenn du deine anderen Freunde nicht mehr magst, komm einfach zu mir. Meine Freunde sind auch ziemlich nett.«
    Ihre Lippen waren so nah, dass ich fühlen konnte, wie sie lächelte. »Ich fürchte, das geht nicht«, flüsterte sie. Dann ließ sie mich los und ging, ohne den Blick abzuwenden, einen Schritt zurück. Am Ende zog sie die Brauen hoch und lächelte, und ich glaubte ihrem Lächeln. Ich sah zu, wie sie auf den Baum kletterte, dann stemmte sie sich auf das Dach vor ihrem Fenster im ersten Stock. Sie schob das Fenster auf und stieg ein. Ich nahm die Haustür, die unverriegelt war, schlich auf Zehenspitzen durch die Küche und in mein Zimmer, schälte mich aus den feuchten Jeans, die ich im Wandschrank beim Fenster in die Ecke warf, dann lud ich Jasons Foto von der Kamera und legte mich ins Bett, während meine Gedanken um das kreisten, was ich morgen in der Schule zu ihr sagen würde.

 
     
    Teil 2
    Grashalme

1
    Als mein Wecker um 6 :32 Uhr aufhörte zu klingeln, hatte ich gerade mal dreißig Minuten geschlafen. Allerdings merkte ich nicht, dass der Wecker klingelte, siebzehn Minuten lang, bis ich eine Hand auf der Schulter spürte und die Stimme meiner Mutter aus weiter Ferne sagen hörte : »Guten Morgen, Schlafmütze.«
    »Mmmh«, antwortete ich. Ich war extrem müde, viel müder als um 5 :55 Uhr, und hätte am liebsten die Schule geschwänzt, aber wegen der Tatsache, dass ich bis jetzt keine Fehlzeiten hatte – auch wenn ich wusste, dass hundertprozentige Anwesenheit weder besonders cool noch sonst irgendwie erstrebenswert war –, wollte ich diesen Lauf bis zum Ende des Schuljahrs fortsetzen. Außerdem wollte ich wissen, wie sich Margo verhielt.
     
    Als ich in die Küche kam, frühstückten meine Eltern an der Küchentheke, und mein Vater erzählte meiner Mutter irgendwas. Als er mich sah, unterbrach er sich und fragte : »Gut geschlafen?«
    »Bestens«, sagte ich, was stimmte. Kurz, aber gut.
    Er lächelte. »Ich habe deiner Mutter gerade erzählt, dass ich immer den gleichen Albtraum habe«, sagte er. »Ich bin im College. Und ich habe einen Hebräisch-Kurs, aber die Sprache, die der Professor spricht, ist nicht Hebräisch, und die Prüfungen sind auch nicht auf Hebräisch, sondern in irgendeinem Fantasie-Gekritzel. Doch alle tun so, als wäre die Fantasiesprache mit dem Fantasiealphabet tatsächlich Hebräisch. Ich muss also diese Prüfung bestehen, in einer Sprache, von der ich nicht mal das Alphabet entziffern kann.«
    »Interessant«, sagte ich, obwohl es kein bisschen interessant war. Nichts ist langweiliger als anderer Leute Träume.
    »Das ist eine Metapher für das Erwachsenwerden«, erklärte meine Mutter. »Du musst in einer Sprache schreiben, die du nicht verstehst – das Erwachsensein –, in einem Alphabet, das du nicht kennst – reife soziale Interaktion.« Meine Mutter arbeitete mit gestörten Teenagern im Jugendknast. Ich glaube, deswegen machte sie sich nie Sorgen um mich – solange ich nicht rituell Wüstenspringmäuse enthauptete oder mir selbst ins

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