Maria, ihm schmeckts nicht!
Fernbe-
dienung, die in einer dicken Umhüllung aus Gummi
steckt. Irgendwann wird sie müde und die Fernbe-
dienung entgleitet ihr, während sie einschlummert.
Wenn die Fernbedienung auf den Steinboden fällt,
fällt sie weich.
Sieben
Wenn Antonio nicht sofort seinen Tex bekommt, wird er nervös. Wir stehen bereits am zweiten Zeitungs-stand, denn am ersten war Tex leider ausverkauft.
Antonio streift seit über fünfzig Jahren mit ihm
durch die Prärie. Er liest diese Comicheftchen nachts, wenn er nicht schläft.
Tex ist ein freischaffender Ranger, der einst von
Indianern aufgezogen wurde und daher die wesent-
lichen Kniffe des Indianerberufes aus dem Effeff
kennt. Er ist ein meisterhafter Messerwerfer, Pisto-lenschütze und Anschleicher. Stets trägt er ein sauberes gelbes und geplättetes Hemd und ein lässiges
Halstuch zu Jeans und einem braunen Stetson. Er
wird von einem Kumpel begleitet, der in befransten
Lederklamotten unterwegs ist. Carson heißt dieser
Nebenheld. Er hat einen Spitzbart und sieht im Ver-
gleich zu Tex uncool aus. Sein Pferd ist auch kleiner.
Bei der Erfindung von Carson stand wohl Buffalo
Bill Pate. Auf meine Frage, ob Carson und Tex eigentlich ein Pärchen seien, reagiert Antonio gelassen.
»Sinde doch nichte schwuuul, die beide. Carson
warer mal verheiratet, aber ginge nicht gut.«
Für heute scheint der Seelenfrieden meines Schwie-
gervaters ernsthaft in Gefahr, denn der Zeitungsver-käufer berichtet von Lieferschwierigkeiten mit den
Tex-Heften. Ich bin sicher, das macht nichts, denn
Antonio kennt die meisten der wieder und wieder
nachgedruckten Abenteuer längst. Bei ihm zu Hause
gibt es im Keller ein Regal, in dem Hunderte von
Ausgaben herumstehen, viele davon doppelt. Aber
das ist in Deutschland und Deutschland ist weit und Antonio bekommt kurzfristig schlechte Laune.
In seiner Not nimmt Toni zwei Mal Dylan Dog.
Dylan Dog löst Kriminalfälle, in denen es im weitesten Sinne um Erotik und übersinnliche Kräfte geht.
Manchmal drehen die Comiczeichner in diesen Ge-
schichten durch und malen seitenlang LSD-Trips
oder blutige Morde, in denen Partygirls Schrauben-
zieher ins Auge gestochen bekommen. Aber die Sex-
szenen sind dufte.
Schließlich klettern wir hoch zur Bar. Daniele hat
schon auf uns gewartet.
»Weißt du eigentlich, was aus Piselli geworden
ist?«, fragt ihn Antonio beiläufig, nachdem wir uns gesetzt haben.
Daniele schäumt Milch auf und denkt nach. Dann
bringt er uns unseren Kaffee. »Piselli? Keine Ah-
nung, den habe ich lange nicht mehr gesehen. Er ist ja für Jahre weg gewesen, dann tauchte er plötzlich auf und arbeitete auf dem Markt. Angeblich wohnt
er in Campodipietra.«
»Wer ist denn Piselli?«, frage ich und schütte
Zucker in meinen Kaffee.
Piselli war das Oberhaupt der Bande derer von der
Porta Mancina, der Gegend, in der die Familie Marcipane wohnte. Piselli heißt Erbsen, und genau so sah er aus mit seinem kleinen runden Kopf, der auf
breiten Schultern saß wie eine Kirsche auf einem
Eisbecher. Piselli war der mutigste der Jungs, deren Anzahl zwischen drei und zwanzig schwankte,
wenn sie durch die Gassen liefen und taten, was
Jungs mit dreizehn Jahren so machen.
Antonio war immer dabei. Piselli war sein Freund,
genau wie Giovanni, der Sohn des Metzgers Baffone,
und Mauro, dessen Vater Bankdirektor war. Oder
Luigi Canone, dessen Vater als Maurer arbeitete,
Carlo, der Schustersohn, oder Luca Nannini, der von den anderen angestiftet wurde, seinem Vater, dem
Gemüsehändler, Früchte zu klauen.
»Und ich war auch dabei!«, ruft Daniele von der Bar aus.
»Daniele auch, ja, aber war eine Feigerling, musste immer zu Hause bei seine mamma sein und machte keine krumme Dinge«, sagt Antonio und übersetzt
gleich ins Italienische, damit Daniele sich aufregen kann.
»Du willst wohl deinen Kaffee woanders trinken«,
mosert Daniele beleidigt.
Die Bande war für jeden von ihnen alles. Man war zusammen. Oder man war gar nichts, besonders wenn
es gegen die Jungen aus San Antonio Abad ging. Diese Bastarde aus dem unteren Viertel der Altstadt, das am Nordhang des Berges lag, warfen mit Steinen oder
lauerten den Mancini, wie die Bewohner der Gegend
um die Porta Mancina genannt wurden, auf, wenn
diese sich alleine zu weit in Richtung Abad bewegten, was besonders an Sonntagen nur schwer zu vermeiden war, denn genau auf der Grenze zwischen diesen
Stadtteilen stand die Kirche, in der Antonio, Piselli und die anderen
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