Maria, ihm schmeckts nicht!
ihren Messdienst verrichteten.
In San Antonio Abad lebten die Einwanderer,
Hilfsarbeiter und Zigeuner. Antonio hätte niemals
auch nur mit einem Wort erwähnt, dass sein Vater Calogero mit seiner Familie einst hier gewohnt hatte. Es war schon schlimm genug, dass er zu Geburtstags-feiern seiner Verwandten dorthin gezwungen wurde.
Das Risiko, dort erkannt und verdroschen zu werden, war ebenso groß wie die Gefahr, dass einer seiner
Freunde von seiner Herkunft Wind bekam.
Luca Nannini war nicht so vorsichtig wie Antonio.
Er provozierte die Bande aus Abad, wo er nur konnte, und wagte sich dabei bis tief nach San Antonio Abad vor. Eines Tages jedoch zu tief. Er hatte soeben eine Gruppe von jungen Kerlen mit Schimpfwörtern
belegt, wonach diese allesamt Söhne einer Hure seien und schielten, so dass sie mittwochs beide Sonntage sähen, und versuchte dann zu türmen. Er lief in eine enge Gasse, die scharf bergauf führte, und er war sicher, dass er mit seinem Vorsprung das helle Ende des Weges vor den Schweinen aus Abad erreichen würde.
Dort begann sein Viertel, sicheres Terrain, in das sich diese Hurensöhne niemals trauten. Dachte er.
Dachte er, bis am Ende der Gasse gleich zehn von
ihnen im Sonnenlicht auftauchten. Sie hatten ge-
wusst, welchen Weg er nehmen würde, und es war
ihnen egal, dass sie auf feindlichem Gebiet standen.
Langsam gingen sie auf ihn zu. Von hinten nahte ein weiteres Dutzend. Luca saß in der Falle. Und wäre
nicht zufällig der junge Priester Alfredo vorbeigekommen, sie hätten ihn vermutlich totgeschlagen. Eine
Woche lag Luca zu Hause und musste gepflegt wer-
den. Eine Woche, in der er auf Rache sann, während
seine besten Freunde wortlos an seinem Bett saßen.
Die Vergeltung wurde in aller Ruhe geplant. Die
Bande um Piselli ersann einen Plan, der für alle Zeiten die Verhältnisse ordnen und die Bastarde aus
dem unteren Viertel daran hindern sollte, jemals
wieder einen Mancini anzugreifen. Dies gelang auch, aber zu einem hohen Preis.
Luca stellte sich als Lockvogel zur Verfügung,
schon deshalb, weil er damit zentrale Figur des Plans war und von allen gesehen wurde. Wieder postierte
er sich auf dem Kirchplatz von San Antonio Abad
und begann, wildeste Flüche zu brüllen. »Kommt
raus, ihr Scheißer! Wo seid ihr denn, ihr Hurenböcke, Stockfische, Muttersöhnchen!«
Die Bande ließ nicht lange auf sich warten. Sekun-
den später waren gleich zwanzig ihrer Mitglieder
zur Stelle, als seien sie durch Mauerritzen gedrungen wie Ratten.
»Dreckschweine, Feiglinge, ungewaschene Arsch-
löcher!«, schrie Luca aus Leibeskräften und erzeugte bei seinen Gegnern den Eindruck, als sei er lebens-müde und habe eine besonders schmerzvolle Metho-
de des Selbstmordes gewählt. Dann raste er los, zu-
nächst den bekannten Weg, bog aber plötzlich nach
links in eine andere Gasse ab als zuvor. Diese war
die engste in der ganzen Stadt, so schmal, dass selbst ein Junge wie Luca sie nur mit angewinkelten Armen
leicht seitwärts durchqueren konnte. Außerdem war
es hier so dunkel, dass man sich eher hindurchtaste-te, als dass man lief.
Er stolperte den Weg entlang und blieb in der Mitte einfach stehen. Wieder tauchten von oben Gestalten
auf, die sich langsam auf ihn zubewegten. Wieder kam der Rest von hinten. Siegessicher, mit geballten Fäusten. Doch als sie sich trafen, war Luca verschwunden.
Er war einfach weg. Die Bande aus Abad fühlte über
die Wände, suchte nach dem Schlupfwinkel, in dem er sich verkrochen haben mochte. Als sie die verschlos-sene Holztür entdeckt hatten, war es zu spät.
Von oben ergoss sich der erste Schwall kochenden
Wassers, gefolgt von Tomatensauce und Sirup. Porta
Mancina warf alles aus den Fenstern, was kochte,
verfault und feucht war. Noch Wochen später stank
es in dieser Gasse so fürchterlich, dass sie schließlich mit einer Mauer geschlossen und bis heute nicht
mehr als Durchgang benutzt wird.
Als der Angriff vorüber war und die Jungs von
Abad verbrüht, bekleckert und gedemütigt die Gasse
verließen, wurden sie dort schon erwartet und beka-
men schreckliche Prügel. Jeden Hieb, den sie Luca
versetzt hatten, erhielten sie dreifach zurück. So hät-te die Sache zu Ende gehen können, doch einer der
Abadi, ein gewisser Francesco Pozzi, zog ein Messer und verletzte damit Giovanni Baffone am Bein. Waffen waren bisher tabu gewesen. Am Abend tat Signo-
ra Baffone das einzig Richtige und ging mit ihrem
Sohn zur Polizei. Sie
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