Maria, ihm schmeckts nicht!
Treue geschworen hatte, war fasziniert von
Pisellis Idee, wiewohl er natürlich sofort einsah, dass die Sache im Falle ihrer Entdeckung fürchterliche
Strafen nach sich ziehen würde.
»Was sollte ich machen?«, jammert Antonio.
»Da kann man nichts machen«, sekundiert Daniele,
der dabei wild gestikuliert. »Wenn du dabei bist,
dann bist du dabei. Und damit basta.«
»Wobei denn?«, frage ich neugierig.
»Bei der grösste Raubezug aller Zeiten«, antwortet
Antonio wolkig, denn seine kurze Verbrecherkarriere will ausgekostet sein.
Pisellis Idee war einfach, aber genial. Wollte man an die Uhren und den Schmuck des Signor Banane
kommen, so musste man ihn sich holen, wenn er
nicht da war.
»Gut, der Katheder ist nicht verschlossen. Man
könnte einfach den Deckel öffnen und die Sachen
herausnehmen«, sagte Baffone. »Aber dafür muss
man den Kerl erst einmal aus seinem Laden locken.«
»Ich will ihn nicht aus dem Laden locken. Er geht ja sowieso jeden Abend nach Hause.«
»Gut, schön, und wie kommen wir in den Laden?
Er verschließt die Tür und das Gitter. Und einen
anderen Eingang hat das Geschäft nicht«, wandte
Antonio ein, der bisher nicht einsah, was an Pisellis Idee so überzeugend sein sollte.
»Wir gehen gar nicht hinein, ihr Holzköpfe«, sagte
Piselli gedehnt.
Anschließend erläuterte er, wie er Piselli um seinen und den Schmuck seiner Kunden zu erleichtern
gedachte. Der Katheder stand vor dem Fenster. Das
bedeutete, dass man nur ein Loch in den Fenster-
rahmen und die dahinter liegende Rückseite des
Katheders bohren musste, um dann von außen die
Wertsachen einfach herausnehmen zu können. Der
Abstand der Gitterstäbe vor dem Geschäft war groß
genug, um mit der Säge ein Rechteck in den breiten
Rahmen zu schneiden. Die Arme von Ricardo
Lorenzi, dem Kleinsten der Gruppe (ein Umstand,
dem er auch seinen Spitznamen topolino, das Mäuschen, verdankte), sollten dann die Uhren und Ringe
erreichen können.
Niemand stellte die Frage, was man anschließend
mit den Sachen zu tun gedachte. Es stand vollkom-
men außer Zweifel, dass die Jungen mit dem Schmuck
nichts würden anfangen können, denn erstens han-
delte es sich fast ausschließlich um reparaturbedürftige Gegenstände von geringem Wert und zweitens
gehörte er letztlich den Müttern und Vätern der
Bande oder anderen Verwandten oder Bekannten
ihrer Eltern, so dass er im Ort praktisch nicht zu
verkaufen war. Man hätte schon nach Neapel fahren
müssen, um die Beute loszuwerden.
Aber darum ging es gar nicht. Es waren das Aben-
teuer, der Plan selbst, die Ungeheuerlichkeit, die die Bande anstachelten. Piselli wischte den Einwand, der Rahmen könnte zu dick sein, mit einer Handbewegung fort.
»Ach was. Wir haben doch Zeit. Wir werden erst
einmal ein Loch hineinbohren und dann sehen, wie
es weitergeht.«
In der Nacht trafen sich sechs Halbwüchsige und
bohrten mit einem Holzbohrer aus dem Besitz des
Schusters Navelli ein Loch in Signor Bananes Fens-
terrahmen und den dahinter stehenden Katheder.
Dann verschlossen sie das Loch, es war gerade mal
so tief wie Baffones Daumen dick, mit Schuhcreme.
»Wenn man nicht genau hinsieht, bemerkt man es
gar nicht«, stellte Piselli zufrieden fest.
»Und was ist mit den Holzkrümeln unter dem
Deckel?«, fragte Schlauberger Mauro, der immer die
richtigen Fragen stellte, sogar in der Schule.
»Wir warten ab, ob er was merkt, und wenn nicht,
dann schlagen wir morgen zu.«
Am nächsten Tag lungerten Piselli, Antonio, Danie-
le und die anderen betont unauffällig vor Signor Bananes Fenster herum, der wie immer mit gesenktem
Haupt seiner Arbeit nachging und die Jungen nicht
weiter beachtete. Als er nach Hause marschierte,
ohne dass sich irgendetwas Auffallendes bei ihm
ereignet hatte, entschied Piselli, dass man abends
wiederkomme. Carlo, der Schusterjunge, schleppte
gleich eine ganze Batterie von Sägen an, mit denen
sich die Jungen in der Nacht am Fenster zu schaffen machen. Nach einer guten Stunde hatten sie vom
Bohrloch ausgehend ein sehr schönes Rechteck ge-
sägt, ohne dabei viel Lärm zu machen. Daniele, für
den die Aufregung zu groß war, stand erst Schmiere
und war schließlich nach einer Weile verschwunden,
der Feigling.
»Hallooo, ich war müde, nicht feige. Ich musste nach Hause und meiner Mutter beim Zwiebelnschälen
helfen.«
»Um drei Uhr nachts, ja, ja. Aber ist auch egal, es ging auch so.«
Ricardo Topolino war bereits
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