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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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die Glücksfee
    in die Kugel, um dort dicke Plastikbälle herauszu-
    fischen. Wenn sie einen herausgenommen hat, hält
    sie ihn erst in die Höhe und überreicht ihn an eine wie immer im italienischen Fernsehen besonders
    schöne Frau, welche den Ball dann begeistert an eine zweite Dame weitergibt. Diese öffnet nun langsam
    den Ball und entnimmt ihm die eigentliche num-
    merierte Glückskugel.
    Der feierliche Charakter dieser Handlung erinnert
    mich schwer an die Auslosung der Paarungen im
    DFB-Pokal. Nach jeder Kugel wird lang und anhal-
    tend geklatscht, gerade so, als habe das Kind soeben das Wunder des Raum-Zeit-Kontinuums entdeckt. Es
    sei eine große Ehre, heißt es, wenn man die Lottozahlen ziehen darf. Es sehen ja auch Millionen Menschen dabei zu. Nach der Ziehung – Antonio hat mit seinen Geburtstagszahlen drei Richtige, Egidio und die anderen keine einzige – bleibt der Fernseher an. Eigentlich läuft er sowieso die meiste Zeit, denn es gibt immer irgendetwas Lautes und Buntes – und dafür sind Italiener extrem empfänglich. Es ist kein Zufall, dass sie so gerne aufs Münchner Oktoberfest gehen und von
    dort mit Vorliebe rosafarbene Plüschelefanten mit
    nach Hause bringen.
    Farbiger Krach ist sozusagen die Leimspur, an der
    italienische Familien kleben bleiben. Und den
    meisten farbigen Krach gibt es nun einmal im italienischen Fernsehen, das nicht zu Unrecht als imper-
    tinente Verblödungsmaschine gilt. Die vielen Sender des Ministerpräsidenten betäuben sein Volk ohne
    jede Scham oder Unterbrechung. Es gibt Morgen-
    shows, Mittagsshows und Abendshows, denen
    häufig auch noch Nachtshows folgen – oder gut
    abgehangene Filme mit Bud Spencer.
    Bereits zum Frühstück steigen blonde Urfrauen, die
    nie zu viel anhaben, von blinkenden Showtreppen
    herab, um dann mit kleinen dicken Männern um die
    Wette zu singen. Auffällig an den Moderatoren des
    italienischen Fernsehens ist neben ihrem ausgesucht albernen Aufzug auch, dass sie ständig tanzen.
    Wann immer ein Sketch oder ein Gespräch beendet
    ist, gibt es ein kurzes Tänzchen.
    Den Höhepunkt der Fernsehwoche bildet natür-
    lich die Samstagabendsendung, die gut und gerne
    drei Stündchen dauern kann. Der Moderator sieht
    aus wie die Mischung aus einem Nacktmull und
    Landeshauptmann Haider und schreitet pro Stunde
    genau sieben Mal die Treppe hinunter, nämlich nach
    jeder Werbepause. Das macht ihm so viel Freude,
    dass er dabei auch noch singt. Ansonsten tanzt er
    drei Mal, spielt in vier Sketchen mit und unterhält sich mit anderen Showstars, die rein zufällig in seine Sendung schneien und – erraten! – singen und tanzen. Nonna Anna nimmt dies alles mit versteinerter
    Miene zur Kenntnis.
    Plötzlich verlöschen die Scheinwerfer im Saal. Es
    wird ganz still, dann ein einsamer Lichtkegel. Haider steht an einem Tisch und schlägt ein großes Buch auf.
    Im Hintergrund beginnt dabei eine Filmsequenz, die
    keinen kalt lässt. Bilder von Kindern mit aufgeblähten Bäuchen, hoffnungslose Dürre, vom Krieg ver-
    stümmelte Männer und Frauen, danach Hochwasser,
    Erdbeben, Vulkanausbrüche und Menschen ohne Ob-
    dach. Geigenmusik. Der Moderator liest mit stocken-
    der Stimme die Chronologie der letzten Ereignisse,
    die unsere kleine, kleine Erde erschüttert haben. Seine Augen füllen sich mit Tränen, er schüttelt langsam
    den Kopf und klappt das Buch mit einem don-
    nernden Knall zu, den die Tonregie einspielt. Kurze Stille, dann – hey! – gehen alle Lichter an, die Bühne blitzt perlmuttfarben und von hinten taucht ein mit einem weißen Zylinder bekleideter blonder Feger auf und bringt gleich noch einen Hutständer mit, um den sie mit dem Moderator ein erotisch angehauchtes
    Tänzlein wagt.
    Die Lieblingssendung von Nonna Anna heißt La
    Speranza, was »Die Hoffnung« bedeutet. Dabei handelt es sich um eine südamerikanische telenovela, die in den vierziger Jahren auf dem Lande spielt. Also
    genau wie Nonnas eigenes Leben. Ununterbrochen
    müssen in dieser Serie junge Männer zum Militär und verabschieden sich mehr oder weniger dramatisch
    die ganze Folge lang von ihren Müttern, Schwestern
    und heimlichen Geliebten. Ständig wird geweint.
    Und natürlich gesungen. Eine Showtreppe hat diese
    Serie zwar nicht, aber dafür einen Bahnhof, an dem
    ständig Darsteller abreisen und neue ankommen.
    Nonna Anna sitzt in ihrem Sessel und trägt eine
    Baseballkappe, damit sie nicht vom Deckenlicht ge-
    blendet wird. Ihre Hand umschließt die

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