Maria, ihm schmeckts nicht!
eingeschlafen und
musste nun für seinen Einsatz geweckt werden, den
er einwandfrei absolvierte und im Halbdunkel der
Straßenlaterne ein Stück nach dem anderen aus dem
Loch zog. Die Beute war, optimistisch betrachtet, nicht der Rede wert. Sie bestand aus einer Taschenuhr, die Baffone sogleich als die seines Onkels Paolo erkannte, ein paar Ringen minderer Qualität und einer Brosche aus Silber, deren Verschluss abgebrochen
war. Piselli steckte alles ein und die Bande ging
schnellen Schrittes auseinander.
Am nächsten Tag vor der Schule versteckte sich
Antonio hinter einer Hauswand, weil er sehen wollte, wie Banane auf den dreisten Diebstahl reagierte.
Giuseppe Falcone stand mehrere Minuten, ohne das
Gitter aufzuschließen, fassungslos vor seinem Ge-
schäft, um dann eilig fortzugehen. Er kehrte nach einer Weile mit dem Polizisten Gazzani zurück, einem
ganz und gar verblödeten Exemplar seiner Zunft, der noch nie zur Aufklärung eines Sachverhaltes bei-getragen hatte, was Antonio enorm beruhigte.
Mehr machte ihm sein schlechtes Gewissen zu
schaffen, das in ihm pochte und ihm immer wieder die Szene vor Augen rief, wie Falcone, die Banane, vor seinem Geschäft stand und sich die Hand vor den Mund
hielt. Es war nicht nur der Diebstahl. Es war nicht nur, dass sie sein schönes Geschäft beschädigt hatten. Es war die Demütigung, die Piselli wohl Freude machte, ihn, Antonio, hingegen beschämte.
Sollte er zur Polizei gehen? Das ging nicht, das war Verrat. Mit unabsehbaren Folgen für sie alle. Antonio wählte einen anderen Schritt. Er beichtete. Die Beichte wurde von dem jungen Priester Alfredo abge-
nommen. Dieser war vor kurzem aus dem Norden
gekommen und erfreute sich besonderer Beliebtheit,
denn er war über die Maßen leut- und vor allem
redselig. Alle wussten es, aber niemand sprach von
der Tatsache, dass dieser Alfredo partout nicht dazu in der Lage war, ein Geheimnis – und sei es ein
Beichtgeheimnis – für sich zu behalten. Diese
Eigenschaft des Priesters eröffnete den Menschen in Campobasso ungeahnte Möglichkeiten in der Ver-breitung von Neuigkeiten und Klatsch.
»Du kannst es ja gleich Don Alfredo sagen«, wurde
in den Jahrzehnten seines Wirkens ein beliebtes
Sprichwort im Ort. Noch heute bezeichnet man hier
einen Menschen, der den Rand nicht halten kann,
oder auch ein Gerücht, welches sich gerade ver-
breitet, als einen Alfredo. Wenn einer seinem Nachbar ein vermeintliches Geheimnis erzählt, dann heißt es hier, er würde ihm einen Alfredo vorstellen.
Antonio beriet sich mit Baffone, dem Schusterjun-
gen Carlo, mit Luigi und Luca, und schließlich warfen sie eine Münze, um auszuspielen, wer zur Beichte
gehen sollte. Antonio verlor und erzählte Don Alfredo alles. Wissbegierig fragte dieser an der einen oder anderen Stelle nach, und bald war klar: Die Sache wür-de innerhalb von zwei Tagen in der ganzen Stadt die Runde gemacht haben. Das Gute daran war: Antonio
hatte niemanden verraten und keinen Schwur gebro-
chen, er hatte lediglich im Schutze des Beichtgeheim-nisses mit einem Priester gesprochen. Auch hatte er keine Namen genannt, sondern vage von »den Freunden« gesprochen. Dennoch war klar, wer damit ge-
meint war, und viel schneller, nämlich noch am
selben Tag, wurden alle verhaftet, auch Antonio.
Die ganze Bande, sogar der kleine Ricardo
»Mäuslein« Lorenzi, der gar nicht verstand, was an
diesem Streich so schlimm gewesen sein sollte, er-
hielt empfindliche Strafen, die sie von weiteren Taten ähnlicher Art für immer abhielten. Nur für Piselli, der wiederum voller Stolz alles zugab und die Beute sofort aushändigte, ging die Angelegenheit böse aus.
Die Erbse landete tatsächlich in einem Erziehungs-
heim bei Isernia, von wo er nicht zurückkehrte.
Die anderen schwiegen sich über ihren Anteil an
der Tat trotz Prügel von Seiten ihrer Väter hartnäckig aus, so dass der Coup später nur noch Piselli ange-lastet wurde, dessen Verschwinden von den Müttern
des Ortes begrüßt wurde, weil damit der schlechte Einfluss des Jungen gebannt und der Spuk vorbei war.
Die Bande löste sich keineswegs auf, aber sie
verfolgte neue Ziele. Diese hatten meistens schwarze Haare und trugen Röcke. Der Zeitpunkt, an dem das
Interesse für Mädchen erwachte, lässt sich ziemlich genau auf Mai 1953 datieren, da nämlich eröffnete
das bis heute einzige und damit größte Kino von
Campobasso. Antonios erster Film war damals schon
uralt, schlug die Jugendlichen
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