Maria, ihm schmeckts nicht!
lachen. »Mit euch Jungs ist es immer dasselbe.
Auf der Straße seid ihr Helden, und sobald man euch näher kommt, verwandelt ihr euch in Babys.«
Antonio schaute betreten zu Boden.
»Also hilfst du mir jetzt oder nicht?«, fragte sie mit gespielter Ungeduld.
»Was soll ich denn machen?«
»Mir ist ein Ring hinters Bett gefallen. Du musst es abrücken, damit ich ihn wiederfinden kann.«
Antonio nickte und umfasste das Fußende, um das
Bett von der Wand zu ziehen. Es war schwer, aber
nicht so außergewöhnlich, dass Signora Bertone es
nicht alleine geschafft hätte.
Sie legte sich bäuchlings auf das Bett, das mit einer entschieden zu rosaroten Tagesdecke überzogen war
und begann, hinter den Kopfkissen herumzufin-
gern.
»Hilf mir doch mal, vielleicht kannst du ihn
finden.«
Er trat von einem Fuß auf den anderen. Er fand,
dass er seine Pflicht mehr als getan hatte, und wäre allenfalls dazu bereit gewesen, das Bett wieder an die Wand zu schieben. Sie drehte sich um und sah ihn
schweigend an. Da legte er sich neben sie und beide suchten nach dem Ring, von dem Antonio inständig
hoffte, dass er bald auftauchte. Er wollte nicht von Signor Bertone in den Rücken geschossen werden,
wenn dieser plötzlich im Zimmer auftauchte und die
beiden erwischte.
»Siehst du ihn?«
»Nein, Signora.«
Was war denn das? Er spürte ihre Hand auf seiner
Hose. Sie glitt vom Po aus Richtung Mitte. Wie von
einem Hund gebissen sprang er auf und raste aus der Wohnung. Sie rief ihm etwas nach, was er nicht verstehen konnte.
Wieder auf der Straße, stellte er fest, dass er seine Tasche oben liegen gelassen hatte. Idiot, dachte er.
Als er sich gerade dazu entschieden hatte, den Ver-
lust der Tasche und seiner Unterlagen mit einem
Überfall der Bande aus San Antonio Abad zu be-
gründen, was ihm ehrenvoll und plausibel erschien,
stand Signora Bertone mit seinen Sachen auf dem
Balkon und rief: »Süßer, du hast was vergessen.«
Sie wedelte mit der Tasche und warf sie ihm direkt
in die Arme. Nachbarn und Passanten drehten die
Köpfe. Einer der Männer, die vor einer Bar standen, nickte ihm sogar anerkennend zu. Antonio schlich
nach Hause. Obwohl er nicht direkt gepunktet hatte, stand er nicht wie ein Trottel da, denn Signora
Bertone hatte ihn nicht gedemütigt. Was für eine
Frau!
»So war das also! Damals hast du was anderes
erzählt, du Wahnsinniger!«, ruft Daniele dazwischen.
»Das darf doch wohl nicht wahr sein! Du bist der erste Mensch der Welt, der einen Platz im Paradies
ausschlägt.«
Der Meinung ist nicht nur Daniele, sondern auch
der Lastwagenfahrer, der am Tresen steht und Erd-
nüsse zu seinem Negroni isst.
»Habe ich auch tief bereut, die Sache«, sagt Anto-
nio und lächelt sein nichts und viel sagendes
Lächeln.
Abends rufe ich zu Hause an. Ich brauche noch einen Tag, vielleicht sogar zwei. Irgendwie habe ich das
Gefühl, dass es wichtig ist, hier zu sein. Aber ich kann es Sara nicht erklären.
»Was macht ihr denn den ganzen Tag?«
»Ich weiß auch nicht«, versuche ich mich in einer
Antwort, von der ich ahne, dass sie auf Misstrauen
stößt. »Wir gehen spazieren und reden.«
»Worüber redet denn mein Vater mit dir? Du
Armer.«
»Es ist nicht so wie sonst. Er erzählt mir seine
Lebensgeschichte.«
»Was?«
»Er erzählt mir aus seinem Leben. Es ist ihm ein
Bedürfnis.«
Ich muss aufhören, denn Antonio schleicht mit
einem aufgeschlagenen Tex- Heftin der Hand in meiner Nähe herum.
»Wann kommst du nach Hause?«
»Ich weiß es nicht. Bald.«
Acht
Wir gehen in die Markthalle und treffen dort Benito, den Verrückten, der den Familienkrieg ausgelöst hat und der bei einem Fischhändler arbeitet, wo er
allerhand einfache Arbeiten verrichtet. Er freut sich über die Maßen, uns zu sehen, und berichtet sofort
stolz, dass er am heutigen Morgen einen großen – er deutet mit den Armen etwa eineinhalb Meter an –
Fisch tot gemacht habe, und zwar mit dem Hammer,
den er mir nun vor das Gesicht hält. Ich bin sehr
angetan und freue mich mit ihm.
»Benito«, sagt Antonio ernst, »kennst du hier auf
dem Markt einen, den sie Piselli nennen?«
»Öh, nö.«
»Er hat schwarze Locken und einen ganz runden
Kopf. Kennst du den?«
Aber Benito hat das Interesse an uns verloren. Er
schlägt mit dem Hammer auf ein paar schmutzige
Eisblöcke und sieht mich dabei an, als sei ich ein
Dorsch.
Ich dränge zum Aufbruch. Langsam schlendern
wir in der Hitze des Vormittags
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