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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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Sara telefoniert einen ganzen Tag lang mit ungefähr sechzig Personen, um den kleinen Grenz-verkehr zwischen den Parteien für die Zeit unseres
    Besuches zu regeln. Die Logistik muss unbedingt vermeiden, dass wir mit den Carduccis auf dem corso oder gar in einer Bar gesehen werden, in der auch
    Marcipanes verkehren. Ich weiß schon jetzt, dass dies nicht funktionieren wird, denn bei meinem letzten
    Aufenthalt liefen Antonio und ich immer wieder dem
    einen oder anderen Carducci über den Weg. Einmal
    warf sich Antonio in einen Hauseingang und flüster-
    te aus der Dunkelheit: »Iste der weg?«
    »Wer denn?«
    »Dieser ässliche bruttissimo Kerl mit die grüne Ute.«
    Ich sah mich um, ob ich irgendwo eine grüne Ute
    entdeckte, und stellte dann fest, dass ein Herr mit einem grünen Hut gemeint war.
    »Der steigt da vorne in ein Auto.«
    »Sag mir, wenn er weckefahre iste.«
    Auf mein Zeichen kam Antonio wieder hervor und
    klopfte sich den Staub von der Jacke. Er ignorierte meine Frage, ob er vielleicht ein bisschen übertrieben agiere, und steuerte mit hoch erhobenem Haupt
    auf Danieles Bar zu. Man kann also nicht einen ein-
    zigen Tag in Campobasso verbringen, ohne dass man
    einander begegnet. Ich versuche, dies Sara zu er-
    klären, doch sie besteht darauf, einen Besuchsplan
    zu erstellen, der auch die Carduccis umfasst. Heim-
    lich natürlich. Alles andere hätte unseren sofortigen Clan-Ausschluss zur Folge. Und das will man ja auch nicht. Die einzig denkbare Variante bestünde vielleicht darin, in einem Hotel zu übernachten, was mir ohnehin am liebsten wäre, aber das geht leider nicht, weil es da unten nun einmal kein Hotel gibt.
    Diesmal schlafen wir nicht bei Nonna Anna, weil
    Antonio und Ursula dort wohnen, sondern bei Cou-
    sin Marco, der zwar kein Gästezimmer hat. aber ein
    Wohnzimmer, in dem wir nächtigen können, wenn
    uns seine Tiere nicht stören.
    »Was sind denn das für Tiere?«, frage ich mit sor-
    genvoller Neugier, denn ich befürchte in Katzen-
    haushalten immer, an Toxoplasmose zu erkranken.
    Beruhigenderweise besitzt Marco jedoch keine einzi-
    ge Katze, sondern zwei Schlangen, mehrere Spinnen
    und Skorpione sowie ein Meerwasseraquarium mit
    einem kleinen Hai.
    Wir fahren also nach Rom und sammeln meine
    Schwiegereltern am Flughafen ein, wo Antonio ver-
    sucht, einem skandinavischen Austauschschüler sein
    gebrauchtes Flugticket zum Spottpreis von fünfzig
    Euro zu verkaufen, während Ursula die Augen Rich-
    tung Decke richtet und laut aus- und einatmet. Auf
    der Fahrt von Rom nach Campobasso erläutert mir
    Antonio den Unterschied zwischen Florenz und Nea-
    pel: In Florenz kostet ein Eis mit drei Kugeln und
    Sahne sechs Euro. Kapiert? Gut. In Neapel hingegen
    kostet ein Eis mit drei Kugeln und Sahne nur fünf
    Euro. Aha, das ist also der Unterschied. Nein. Der Unterschied ist: In Neapel ist kein Eis unter der Sahne.
    Es beginnt zu schneien. So kenne ich diese Gegend
    noch gar nicht. Wir kommen sogar an einem Skilift
    vorbei, aber der scheint kaputt zu sein. Traurig stehen die Sessel in der Luft. Vielleicht reicht auch das Geld nicht für eine Abfahrt und der Besitzer des Liftes hat den Skitourismus aufgegeben. Hier am culo al mondo sind schon viele Träume gestorben.
    Immer wenn in Italien eine Luftblase platzt, wird
    sie zu Beton. Anders sind die vielen Rohbauten und
    begonnenen Gebäude, die nur aus verrosteten Stre-
    ben und betonierten Säulen bestehen, nicht zu deu-
    ten. Kurz vor Campobasso steht ein riesiges und fast zu einem Drittel fertig gestelltes Parkhaus wie ein Denkmal mitten im Nichts herum, nicht einmal eine
    Straße führt dorthin. Ein paar Kilometer weiter se-he ich eine Halle, fast so groß wie ein Hangar für einen Jumbojet, die nur aus einem Wellblechdach und
    zwei kolossalen Seitenwänden besteht. Diese Mo-
    numente des Scheiterns bleiben aus unerfindlichen
    Gründen einfach stehen – wie ein Fiat Ritmo – und
    niemand schert sich darum. Der ungenierte, ja fast
    hemmungslose Umgang mit Beton und anderen
    Spielarten nachhaltiger und oft Krebs erregender
    Bausubstanzen versetzt mich immer wieder aufs
    Neue in Staunen, denn irgendwer muss diese sinnlo-
    sen Dinger geplant haben, jemand hat sie gebaut und wieder ein anderer besitzt sie. Aber wofür? Was ist da passiert? Wie kommt man auf die Idee, meilenweit
    von einer Ortschaft entfernt ein Parkhaus für dreitausend Autos zu errichten? Oder soll es gar keines
    sein? Oder sollte es nie fertig werden? Oder ist das Aussehen

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