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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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dieser Industrie- und Wohnbrachen am
    Ende Kunst, die ich nicht verstehe? Rätselhaftes,
    schönes Land.
    Auch am Stadtrand von Campobasso stehen einige
    Häusergerippe herum wie geklaute Fahrräder am
    Hauptbahnhof. Das macht den Ort hässlich und
    abweisend, doch es scheint hier niemanden zu
    stören. Tatsächlich aber leiden auch die Italiener
    unter ihrer Zwangsneurose, Häuser nur halb fertig
    zu stellen und gleichzeitig die alten Gebäude verfallen zu lassen.
    »Iste eine große traurige Jammer«, klagt Antonio,
    während wir in die Stadt hineinfahren und eine Kir-
    che passieren, die wegen Einsturzgefahr geschlossen ist.
    »Woran liegt es denn, dass die historischen Gebäu-
    de nicht richtig gepflegt werden und auseinander
    fallen?«, frage ich.
    »Liegte daran, dasse wir zu viel davon aben in Ita-
    lia. Bei zu viel Schönheit ist die Pflege schwer. Denk an die Fraue.« Das leuchtet ein.
    Kurz darauf kneift Nonna Anna mir in die Wange
    und bietet Kaffee an.
    »Auch panettone dazu?«
    »Danke, nein.«
    »Ich habe ganz frischen panettone gekauft, bei Lombardi.«
    »Danke, ich hatte eben auf dem Weg schon etwas
    zu essen. Puuuh, bin ich satt.«
    »Du sollst den panettone ja auch nicht essen, weil du Hunger hast, sondern weil er gut ist.«
    »Aber im Moment habe ich auch keinen Appetit.«
    »Und ich sage noch zu Lombardi, gib mir einen
    besonders großen mit viel Zitronat, das mag mein
    deutscher Junge, denn das bekommt er nur bei mir.«
    »Vielleicht später.«
    »Später sind wir alle tot.«
    Ich schlucke den panettone mit viel Wasser und ohne Würde hinunter. Sara isst nichts, sie hat ihrer Oma mit einer knappen Handbewegung beschieden,
    dass sie nichts wolle. Warum nur, warum nur klappt
    das nicht bei mir?
    Dann fahren wir rüber zu Marco, der uns mit einer
    seiner Schlangen um den Hals und offenbar schwer
    bekifft die Tür öffnet. Das zentrale Möbelstück in
    seinem Wohnzimmer ist eine bunte Tropfkerze, die
    bei Tag und Nacht vor sich hin kokelt. Zur Feier des Tages hat Marco ein Räucherstäbchen angezündet,
    das riecht, als brenne hier irgendwo ein Iltis.
    Wir legen unsere Taschen in die Einkaufswagen,
    mit denen Marco sein Heim geschmückt hat, und
    richten uns zwischen dem Terrarium und dem
    Aquarium ein. Immerhin werden wir, falls wir nicht
    gefressen werden, hier ruhig schlafen, denn Antonio wird gewiss nicht im Schlafanzug mitten in der
    Nacht vor mir stehen, um den Inhalt seines neuen
    Tex-Heftes zu erzählen.
    Danach wieder zu Nonna, denn Antonio will unbe-
    dingt mit mir spazieren gehen. Schon nach wenigen
    Metern bin ich steif gefroren wie ein Fischstäbchen.
    Sara hatte mich gewarnt, dieses Bergdorf habe eine
    eigene, ganz besonders kalte Kälte, es sei sozusagen die Mutter aller Kälten. Sie sagte, dass die Luft vollkommen trocken sei, dass sie durch die Kleidung
    dringe und die Haut umhülle, als habe man gar
    nichts an. Dass sich die Hosen noch kalt anfühlten, wenn man schon längst wieder zu Hause sei. Aber
    ich Esel habe ihr nicht geglaubt. Kleine Italiener, die in ihren dicken Steppjacken wie Pralinen aussehen,
    laufen an uns vorbei. Ansonsten ist es menschenleer.
    Italiener halten Winterschlaf. Sie harren bewegungslos aus, bis der Schnee endlich schmilzt. Wer doch
    vor die Tür muss, verrichtet seine Angelegenheiten
    noch langsamer als sonst, wohl weil das Blut auch
    nicht so schnell fließt wie in den Sommermonaten.
    Selbst die Mopeds und Vespas, die sonst geschickt
    durch die Gassen düsen, schlafen friedlich unter
    grauen Deckchen, die sie vor Frost und Schnee
    schützen.
    Nur die italienischen Fußballspieler müssen im
    Winter hart arbeiten, wenn auch nicht in Campobas-
    so. Der traditionsreiche Verein, der sogar mal im
    italienischen Pokal gespielt hat, ist längst pleite und seine Spieler sitzen zu Hause im Warmen und
    schauen sich La Speranza im Fernsehen an. Ich aber laufe in einer zu dünnen Jacke durch die Altstadt.
    Das ist doch wieder typisch deutsch. Als könne es in Süditalien nicht kalt sein. Stupido, ich.
    Antonio hat einen grauen, vergammelten Koffer da-
    bei, der mir bis jetzt nicht aufgefallen ist. Offensichtlich ist er leer, denn Toni trägt ihn ohne Anstrengung.
    »Was ist denn das für ein Koffer?«
    »Den, liebe Jung, habbi mir geborgte und nun
    gebbe zurück. Und du kommste mit als Zeuge.«
    Ich verstehe, das ist Baffones Koffer. Kaum verge-
    hen vierzig Jährchen – schwupps, da bekommt Baf-
    fone auch schon seinen Koffer zurück. Wir erledigen das sofort und

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