Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
Vom Netzwerk:
beobachtet.
     
    Renate stand am Fenster ihres Zimmers und blickte hinaus in den dunklen Garten, der von keinem Silberstrahl erhellt wurde, denn es war Neumond.
Wenn Karlo tot wäre, könnte ich in das Dachgeschoss ziehen.
In den großzügigen Räumen des ausgebauten Daches würden ihre Möbel und Bilder Platz finden, die seit ihrer Scheidung in einer Scheune vor sich hin rotteten.
Und endlich wieder ein eigenes Bad! Was? Wie bitte? Bist du noch ganz bei Trost?
Die Gedanken hatten sie überrumpelt, einfach so, denn obwohl sie schon das größte Zimmer im ersten Stock hatte, kam sie sich dennoch manchmal vor wie ein Pensionsgast. Renate versäumte nicht, sich umgehend für ihre Impulse zu schämen. Nein, sie wollte sich nicht auf Karlos verrückte Idee einlassen, das alles war ohnehin sicher nur ein dummer Scherz von ihm. Er neigte zu geschmacklosen Späßen auf Kosten anderer. Und selbst wenn es stimmte, wenn er wirklich todkrank war, nun, dann würden sie ihn eben bis zu seinem Tod pflegen. Das war doch schließlich die Idee dieser WG gewesen, oder hatte sie da etwas falsch verstanden? Füreinander da zu sein im Alter, sich zu helfen, so lange es ging. Und nicht, sich gegenseitig umzubringen, um die Lebensversicherung zu kassieren. Eine gewaltige Summe, wieso hatte Karlo eine so hohe Lebensversicherung abgeschlossen? Diese posthume Fürsorge entsprach so gar nicht seiner Art, Karlo war ein Egoist reinsten Wassers. Man sollte vorsichtshalber nichts unternehmen, ehe man diese Versicherungspolice gesehen hatte … Erneut erging sich Renate in Selbstekel, als es an der Tür klopfte.
    Ludmilla und Goswin schoben sich ins Zimmer. »Lagebesprechung«, sagte Goswin knapp.
    Renate deutete stumm auf ihr Sofa, auf das Ludmilla wie ein Sack plumpste. Goswin, der Ludmillas körperliche Nähe stets mied, blieb stehen und stieß hervor: »Ich mache es. Ihr müsst mir nur ein Alibi geben.«
    »Es ist völliger Wahnsinn, und das weißt du auch«, entgegnete Renate.
    »Aber wenn es doch sein Wunsch ist. Findest du es humaner, ihn eines grausigen Todes sterben zu lassen?«, fragte Ludmilla, und es war reine Show, wie sie die Hände rang, während Renate registrierte, dass Ludmilla immerhin des Genitivs mächtig war.
    »Ganz zu schweigen von der Hölle, die wir jetzt schon mit ihm haben«, ergänzte Goswin, der schon immer eifersüchtig auf den gutaussehenden, erfolgreichen Karlo gewesen war. »Außerdem – denk mal an das Geld. Du kannst es doch auch gebrauchen.«
    Das war allerdings wahr. Renate, eine promovierte Germanistin, hangelte sich seit Jahren von einem Lektoratsjob zum nächsten. Eine schlecht bezahlte, aber äußerst anspruchsvolle Arbeit, die lediglich den Vorteil hatte, dass man sie zu Hause erledigen konnte. Ihre Rente würde demnach mehr als mager ausfallen.
    »Wer weiß, ob diese Versicherung überhaupt existiert«, gab sie zu bedenken.
    Ludmilla antwortete eifrig. »Doch, tut sie. Er hat die Police vorhin unter den Weihnachtsbaum gelegt.«
    Renate verzog ihren wohlgeformten Mund.
    Goswin erklärte: »Ich werde ihm auflauern und ihn erschießen, wenn er in der Eilenriede joggen geht. Ihr müsst der Polizei nur bestätigen, dass wir drei zusammen gefrühstückt haben, einverstanden?«
    »Wieso macht er das eigentlich noch – ich meine joggen, wenn er eh sterben will und todkrank ist?«, wunderte sich die Kanapee-Walküre, die für Sport noch nie viel übriggehabt hatte.
    »Vielleicht, weil es ihm Spaß macht«, antwortete Goswin und fragte noch einmal: »Seid ihr damit einverstanden? Das Geld teilen wir so, wie Karlo es vorgeschlagen hat.«
    »Okay«, sagte Ludmilla eine Spur zu schnell.
    Renate nahm die Zigarettenschachtel vom Schreibtisch, und gerade so, als würden Karlos Gesetze ab sofort nicht mehr gelten, steckte sie sich eine Gauloise an. Sie nahm einen tiefen Zug und blickte dann dem Rauch hinterher, wie es sonst nur Frauen in französischen Schwarzweiß-Filmen machen. Das war Goswin Antwort genug.
     
    Am nächsten Tag fuhr er zum Steinbruch und probierte die Waffe aus. Sie funktionierte. Er war beim Bund ein guter Schütze gewesen und stellte jetzt fest, dass er es immer noch drauf hatte. Außerdem war es ein geiles Gefühl, endlich mal wieder eine Waffe in der Hand zu halten.
     
    Der erste Weihnachtstag verstrich in angespannter Atmosphäre. Außer Karlo, der tat, als ob nichts wäre, ging jeder jedem aus dem Weg. Wenn sich Ludmilla, Renate und Goswin dennoch trafen, konnten sie sich kaum in die Augen

Weitere Kostenlose Bücher