Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
Vom Netzwerk:
was war das? Es knackte hinter ihm im kahlen Geäst, und ehe Goswin begriff, was los war, kam ein zottiges Tier auf ihn zu. Es blieb in zwei Metern Entfernung vor ihm stehen, offenbar genauso überrascht wie sein Gegenüber. Die Zunge, eingebettet zwischen gewaltigen Eckzähnen, hing ihm weit aus dem geöffneten Maul, der Atem ging hechelnd. Es war ein Rüde, was das Tier nun unter Beweis stellte, indem es den Holzstapel anpisste, sich umdrehte, noch einmal pisste. Von irgendwoher schallte ein Pfiff und dann ein Ruf: »Baaalduuu!« Oder so ähnlich.
    Der Köter hatte seine Schrecksekunde überwunden, Goswin nicht. Der Hund war riesig, und jetzt näherte er sich schwanzwedelnd. Goswin mochte Hunde nicht besonders, und im Augenblick schon gar nicht. Er machte eine fuchtelnde Handbewegung. »Hau ab, du verdammter Köter«, zischte er, doch der Hund nahm die Worte offenbar als Aufforderung zum Spielen. Er streckte die Vorderpfoten aus, das Hinterteil in die Luft und schaute Goswin erwartungsvoll an.
    »Baldur! Hiiier!«, schallte es streng durch den Wald.
    »Hau ab! Weg da!« Goswin deutete auf den Weg, von wo aus sich jetzt Baldurs Herrchen näherte. Hatte der Mann ihn schon gesehen? Instinktiv duckte sich Goswin wieder hinter den Holzstapel. Doch auch diese Geste interpretierte der Hund völlig falsch. Er leckte Goswin übers Gesicht, und dann besprang er ihn. Der Versuch, den schweren, stinkenden Hund, der auf seinem Rücken hing und ihn mit den Vorderläufen umklammerte, abzuwehren, misslang. Im Gegenteil, der brünstige Baldur zog Goswin die Mütze vom Kopf, hechelte ihm in den Nacken und schlabberte ihm ins rechte Ohr, während sein Unterleib im schnellen Rhythmus einer Nähmaschine vor- und zurückzuckte.
    Ein älterer Herr mit Raureif im Bart befreite Goswin schließlich unter tausend Entschuldigungen von seiner ungezogenen Bestie. Dann wünschte er Goswin noch schöne Weihnachten und zerrte seinen Köter, scheinheilige Beschimpfungen murmelnd, den Weg entlang davon. Unter anderen Umständen hätte Goswin dem Hundebesitzer gründlich die Meinung gesagt, so aber schlich er einfach nur gedemütigt nach Hause, nachdem er den kurz aufflammenden Gedanken, beide zu erschießen, verworfen hatte. Sein Mordplan und ihrer aller Hoffnung auf eine bessere Zukunft waren an einem läufigen Köter gescheitert. Das durfte er Renate und Ludmilla auf keinen Fall erzählen. Er würde einfach behaupten, Karlo habe eine andere Strecke genommen. Goswin war fertig mit den Nerven, er bezweifelte, ob er imstande wäre, in den nächsten Tagen einen weiteren Versuch zu unternehmen. Und wenn, dann bestimmt nicht im Wald.
     
    Vor dem Haus standen zwei Streifenwagen und ein Fahrzeug der Kripo, erkennbar am aufgesetzten Blaulicht, das wie ein Pickel auf dem Dach des Passats prangte. Goswin erschrak. Waren ihm Renate oder gar Ludmilla zuvorgekommen? Oder hatten sie ihn verraten, wartete die Polizei auf ihn, den vermeintlichen Mörder? Wollten die zwei die Kohle alleine kassieren, während er lebenslänglich im Knast hockte? Noch während er zögerte, mit der aufsteigenden Panik kämpfte und sich nach einer Stelle umsah, wo er möglichst unauffällig die Pistole loswerden konnte, öffnete sich die Haustür. Heraus kam Karlo, in Sakko und Handschellen, und wurde von zwei uniformierten Beamten zu einem der beiden Streifenwagen geführt. »Sorry, ich dachte, die Polizei macht auch mal Ferien«, sagte Karlo zu Goswin, der rein gar nichts verstand.
    Goswin betrat das Haus, ging aufs Gästeklo und versteckte die Pistole in dem kleinen Mülleimer unter dem Waschbecken.
    Im Wohnzimmer waren zwei Männer in weißen Anzügen dabei – sie sahen aus wie die Spermien in Woody Allens Film
Was Sie schon immer über Sex wissen wollten
 –, den Weihnachtsbaum abzuschmücken. Hauptsächlich, so bemerkte Goswin, interessierten sie sich für das Engelshaar.
    »Und Sie haben sich nie gefragt, was aus diesen Putzfrauen geworden ist?«, fragte ein Mann in Zivil gerade Renate und Ludmilla, die beide blass und zitternd am Tisch saßen.
    »Nein. Er hatte immer was an ihnen auszusetzen, und zu uns sagte er nur, dass er sie entlassen hätte.« Ludmilla bemerkte nun Goswin und rief: »Goswin, stell dir vor, der Kommissar sagt, Karlo hätte alle unsere Putzfrauen ermordet, ihnen das Haar abgeschnitten, es weiß gefärbt und Jahr für Jahr über den Christbaum gehängt. Sieben Frauen!«
    »Acht«, korrigierte Renate. »Der Mord an meiner Freundin Stephanie damals, das

Weitere Kostenlose Bücher