Maria, Mord und Mandelplätzchen
Mutter, die ihre Kinder nicht im Griff hat, total überfordert, ein Fall für die Super Nanny, ganz klar.
Die können später alle bei der Kripo ein Eins-a-Phantombild anfertigen lassen von mir: dünne Frau, schlecht sitzende Frisur, dunkle Augenringe. Ach ja, und die Strumpfmaske hatte eine Laufmasche.
Jetzt kann es losgehen, denke ich, setze den Rucksack ab und öffne den Reißverschluss. Na dann …
Plötzlich kommt ein Kerl rein, ein ziemlich gefährlich aussehender Typ mit Lederjacke, Schirmmütze und einem Arabertuch über Nase und Mund. Man versteht ihn deswegen auch nicht so gut, als er ruft: »Dies ist ein Überfall.« Doch man kann erkennen, was er will, weil er eine Pistole in der Hand hält. Die sieht ziemlich echt aus.
Alle sind mucksmäuschenstill. Bis auf Kyra, die beim Malen summt.
Und Leon, dem es wohl doch irgendwie gelungen ist, mit dem Auszugsdrucker zu spielen. Er macht Ballergeräusche und spuckt dabei auf den Bildschirm.
Eine Kassiererin mit blassem Gesicht packt das Geld in die Aldi-Tüte, die der Bankräuber ihr zugeworfen hat. Sie hat lange zu tun, und ihre Hände zittern. Ich sehe Scheine, die ich noch nie selbst in der Hand gehalten habe. Sie sind lila.
»Geht das nicht schneller?«, schreit der Gangster.
So ein Mist, denke ich. Ich wollte das doch machen. Das war meine Idee, und ich war zuerst hier! Der Schuft hat sich vorgedrängelt und kriegt jetzt alles für sich allein. Mehr denke ich nicht. Ich bin nur noch sauer.
Ein bisschen krame ich in meinem Rucksack, und meine Finger finden das gesuchte Plastikteil, damit ziele ich auf den Bankräuber: »Waffe runter, Polizei!« So kenne ich es aus meiner Lieblingsserie. Breitbeinig dastehen, eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischen und ernst gucken. Den Verbrecher dabei nicht aus den Augen lassen, die Waffe im Anschlag. Ich finde, ich krieg das ganz gut hin. Der Kerl dreht sich kurz um, guckt überrascht. Dann erkenne ich erst, dass ich mich vergriffen habe und statt der Pistolenattrappe einen Obelix in der Hand halte, der auf Knopfdruck die Hosen runterziehen kann. Gab’s bei McDonald’s zum Happy Meal.
Der Gangster grinst ganz fies. Im selben Moment packen ihn von hinten zwei Sicherheitsleute und werfen ihn zu Boden.
»Ich hab ihn gekriegt«, jubelt Leon und vermöbelt den Auszugsdrucker.
»Mein Bild ist fertig, Mama!«, sagt Kyra. Der Sparfuchs ist lila geworden. Dieselbe Farbe wie die Scheine, die überall auf dem Boden verteilt liegen.
Bis heute hat Kyra Schiss vorm Weihnachtsmann. Er ist ein fieser Typ, der keine Kinder mag, behauptet sie felsenfest.
Aber für sie steht seit diesem Tag ohnehin fest, dass in Wirklichkeit – nur für alle, die es noch nicht wissen – der Bankdirektor die Geschenke bringt.
Autorenvita
Sandra Lüpkes, geboren 1971 in Göttingen, wohnt nun in Münster, wo sie als freie Autorin und Sängerin arbeitet. Sie hat zahlreiche Romane, drei Kurzgeschichtensammlungen und zwei Sachbücher veröffentlicht. Als Dozentin von Schreibseminaren ist sie in staatlichen und privaten Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung tätig. Sie ist Mitglied im SYNDIKAT und bei den
Mörderischen Schwestern.
2005 und 2009 war sie für den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte Kurzgeschichten nominiert.
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Cornelia Kuhnert
Drei Schwestern und ihre Liebe zum Schnee
Hannover
Von drauß’ vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
24 . Dezember
Seit Tagen rieselt der Schnee vom grauen Himmel, gegen Mittag setzt scharfer Ostwind ein und treibt die Flocken unerbittlich vor sich her. Kein Auto ist mehr auf den Straßen zu sehen, nur drei Weihnachtsmänner kämpfen sich wacker mit einem Weihnachtsbaum durch das Schneetreiben. Ihre roten Mäntel und Zipfelmützen sind die einzigen Farbkleckse im Weiß, das sich wie ein Tuch über Hannover gelegt hat und alle Geräusche dämpft.
»Mann, ist der schwer«, stöhnt der hinterste der drei Weihnachtsmänner. Die beiden vorderen Rotröcke reagieren nicht darauf. Sie bleiben erst stehen, als das untere Ende des Weihnachtsbaums mit einem Plumps in den Schnee fällt.
»Was ist los?«, beschwert sich der Vorderste der drei.
»Ich kann nicht mehr. Pause, bitte.«
»Hier? Wir sind doch gleich da.«
»Bitte«, bettelt der hintere Weihnachtsmann erneut und rückt sich den Bart vorm Gesicht zurecht.
»Kann ich helfen?«
Erschrocken zucken die drei Weihnachtsmänner beim Klang der sonoren Stimme zusammen und drehen sich wie auf Kommando
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