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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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Vorsichtig tastet sie mit den Händen nach einer Flasche. Immer weiter streckt sie ihre Finger vor. Nichts. Wo ist ihr Nachttisch? Sie öffnet beide Augen und schließt sie schnell wieder. Was um Himmels willen macht sie im Wohnzimmer auf der Couch? Sie zieht die Bettdecke bis zur Stirn. Nackte Füße sind die Quittung. Warum ist die Decke so kurz? Erneut schlägt sie die Augenlider auf und blickt in gnadenloses Rot. Rot? Vorsichtig rutscht sie an der Lehne hoch und beäugt misstrauisch den Stoff. Er hat einen weißen Rand, und in der Mitte schlackert eine Stoffbahn. Als sie genauer hinsieht, entdeckt sie noch eine zweite. Seltsam. Aber nicht nur das ist merkwürdig. Die Stehlampe liegt auf dem Boden. Ihr Kleid hängt über dem Bilderrahmen. Der Büstenhalter baumelt am Kronleuchter, ihre Strumpfhose am Türgriff. Was ist bloß passiert? Ihr Hirn ist ein riesiges schwarzes Loch. Mit wem war sie unterwegs? Nächste Frage. War sie überhaupt fort? Wahrscheinlich hat sie sich eine Flasche Rotwein aufgemacht und kann sich deshalb an nichts mehr erinnern. An absolut nichts.
    Vorne an der Tür bewegt sich etwas. Sie rutscht höher, um besser sehen zu können. Da kriecht etwas auf dem Fußboden. Ihr Herzschlag beschleunigt sich, Beklemmung macht sich in ihr breit. Was ist das? Sie zieht die Decke über ihre Augen und kneift sich in die Wange – so wie früher als Kind, wenn sie Angst hatte. Sie ist aber kein Kind mehr. Entschlossen hebt sie den Kopf. Nichts ist zu sehen. Gratulation, Agnes. Doch keine Halluzinationen. Kein Alkoholismus im Endstadium. Trotzdem, sie sollte nicht so viel trinken. Wie oft hat sie sich das schon vorgenommen. Seit Uwe gegangen ist, verliert sie manchmal die Kontrolle über sich. Uwe. Uwe hat Schuld! An allem. Einfach auf und davon mit dieser Praktikantin. Natürlich ist die zwanzig Jahre jünger als Agnes. Der Klassiker schlechthin. »Bei Politikern ist das gang und gäbe«, hat ihre Psychologenschwester Carmen sie trösten wollen. Carmen. Genau, sie ist gestern mit Carmen losgezogen. Und mit Beate. Endlich dämmert es ihr. Gestern ist ihr Geburtstag gewesen.
    Vorsichtig schwingt Agnes erst das eine Bein vom Sofa, dann das andere. Steifgliedrig erhebt sie sich und setzt einen Fuß vor den anderen. Plötzlich krabbelt etwas unter dem Tisch hervor. Dunkel ist das Viech, fast schwarz. Sie unterdrückt einen Schrei, bleibt aber wie angewurzelt stehen. Das flache Wesen bewegt sich vorwärts. Riesige Klauen sitzen an seinem Kopf. Agnes schließt die Augen, zählt bis hundert. Das Ding ist trotzdem noch da. Agnes nimmt allen Mut zusammen, und ihre nackten Füße nähern sich Zentimeter für Zentimeter dem Tier. Der Schwanz sitzt hinter zahllosen Beinen. Vier, nein, sechs. Oder gar acht? Mit Brille wüsste sie es besser. Agnes beugt sich hinunter. Das sind keine Klauen, das sind Scheren. Direkt daneben zwei kleine runde Kugeln. Winzige Äuglein. Ein Kratzen an der Tür lenkt sie ab. Sie dreht sich um. Hier muss ein Nest sein. Das zweite Viech ist größer als das erste und drückt sich gegen den Türrahmen.
    Agnes öffnet die Tür zum Badezimmer und stützt sich am Waschbecken ab. Sie atmet langsam ein und aus. Zwei Hummer im Wohnzimmer. Vielleicht auch drei. Warum hat sie die Viecher nicht gleich erkannt? Weil Hummer sonst nicht in ihrem Wohnzimmer herumkrabbeln. Ganz einfach. Und warum liegen die nicht mehr mit verklebten Scheren im Kühlschrank? Sie weiß es nicht. Ihr Kopf ist immer noch ein großes schwarzes Loch. Sie mustert sich im Spiegel. Ihre Augen leuchten. Abgesehen von den Rändern darunter sieht sie für diesen ausgewachsenen Kater gut aus. Ihre Lippen glänzen, und der Teint strahlt wie lange nicht. Was hat sie bloß getrunken? Egal was – das Zeug scheint ihr bestens zu bekommen. Sie macht einen Waschlappen nass und drückt ihn aufs Gesicht. Das kalte Wasser belebt ihren Geist. Carmen wollte sie wie immer mit etwas Ausgefallenem zum Geburtstag überraschen. Sie kann sich nur nicht erinnern, was es dieses Mal für ein Schwachsinn gewesen ist. Schnee ist gefallen, ganz viel Schnee. Das weiß sie noch. Dunkel war’s, und Kerzen brannten. Und weiter? Da war der Stand mit der Feuerzangenbowle. Ein, zwei oder drei Becher? Ihre Erinnerung verliert sich im Nichts. Agnes zieht sich ihren Bademantel an. Jetzt ein Kaffee, und der Tag kann nur besser werden.
    Auf dem Fußboden im Flur liegt ihr Lammfellmantel, daneben eine leere Champagnerflasche. Veuve Clicquot. Sie lächelt. Das mit den

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