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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Joens
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nichts zu suchen hatten. Sie wurden in den Westflügel verbannt. Nur einmal hatte Bene es vor Neugierde nicht mehr ausgehalten, weil aus dem Wohnzimmer, auch der Königssaal genannt, dieses Lied drang. Bene hatte durch die angelehnte Tür gesehen, wie seine Eltern Arm in Arm zu diesem Lied tanzten, das der Cowboy gerade auf seiner Gitarre zupft. Barfuß war Benes Mutter gewesen, weil sie ohnehin einen halben Kopf größer als sein Vater war. Sie hatte Papa so geküsst, wie es in Benes Augen eine Königin nicht tun sollte. Und dann hatte Papa ihre Bluse aufgeknöpft, und Bene war zurück in den Westflügel geflüchtet.
    Was fällt dem Cowboy ein! Miriam kann das Lied kaum ertragen, vor allem nicht, wenn er es spielt. Es gehört nicht ihm. Merkt er nicht, dass sein Gezupfe es entweiht? Miriam tauscht einen Blick mit Bene, der zwar noch immer an der Conga steht, aber nicht mehr spielt. Seine Hände sind fest hinter seinem Rücken verschränkt, und er erinnert sie in diesem Moment an ihren Schwager. Selbst das leichte Lächeln um Benes Mundwinkel ist Wassili wie aus dem Gesicht geschnitten. Miriam würde dem Cowboy seine Gitarre am liebsten aus der Hand reißen.
    »Bitte nicht dieses Lied!«
    Joe hält inne.
    »Warum nicht?«
    »Es ist voller Erinnerungen.«
    »Umso besser!«
    Neugierig kommt Conni der eigenartigen Sächsin entgegen. Wenn das Lied ihr so viel bedeutet, möchte Miriam vielleicht ein Mikrofon, um mitzusingen? Wir freuen uns über stimmliche Unterstützung, nicht wahr, Joe?
    »Nein, tun wir nicht.«
    Kleine Pfeile schießen zwischen Miriam und Joe hin und her, aber Conni drückt Miriam bereits den Text in die Hand. Galant hilft er ihr vom Sofa auf, aber Joe wendet sich irritiert ab, als Miriam sich zu ihnen gesellt. Er funkelt seinen Freund wütend an.
    »Frauenversteher!«
    »Feiger Hund!«
    »Was jetzt?«
    Miriam sieht Joe provozierend an.
    »Soll ich jetzt singen? Ja oder nein?«
    Joe brummelt vor sich hin, während er erneut zur Gitarre greift. Es fehlen ihm die richtigen Worte, um Miriam zurück aufs Sofa zu schicken. Meine Güte, soll sie doch singen, wenn sie sich danach besser fühlt. Er ist ja kein Unmensch. Er nickt. Miriam positioniert sich und greift zum Mikrofon. Womit Joe nicht gerechnet hat, ist der Anblick ihres Profils, das sich ihm jetzt von der Seite bietet. Bisher war der Umhang so gnädig, das volle Ausmaß ihres bevorstehenden Wunders ein wenig zu verhüllen, aber jetzt legt Miriam den Umhang ab, um besser singen zu können. Der Anblick ist überwältigend. Mit festen Beinen, hüftbreit auseinandergespreizt, um guten Bodenkontakt zu haben, lockert Miriam ihre Schulterblätter und rollt den Kopf von Seite zu Seite. Gänzlich unbewusst, was ihre enthüllte Seitenansicht bei einem sensiblen Gitarristen wie ihm auslöst, macht sie ein paar Stimmübungen.
    »Do re mi fa so la ti dooooo …«
    Widerwillen ist nicht wirklich das passende Wort, nach dem Joe in seinem Inneren fieberhaft sucht. Aber während er die ersten Töne des Liedes anschlägt, wünscht er sich vor allem ein möglichst schnelles Ende dieser Albtraumsession.
    »Langsam, bitte ein wenig langsamer, ja?«
    Miriam bricht nach den ersten Takten ab. Ihr Lächeln ist verwundbar und jung, wie das eines Kindes. Während Bärli und Conni von Anfang an beginnen, flüstert Joe ihr zu.
    »Du bist ja völlig nervös, Madel! Warum tust du dir des an?«
    Miriam flüstert zurück.
    »Ich muss dieses Lied jetzt singen.«
    »Müssen musst gar nichts, Madel! Am End’ kommt noch das Kind, wenn du dich jetzt aufregst!«
    Joes Stimme ist mehr als irritiert. Miriams fühlbare Nervosität, gepaart mit dem außerirdischen Zustand ihrer Leibesmitte, quält ihn mehr, als er sich selber erklären kann. Am liebsten würde er auf der Stelle wegrennen. Stattdessen versucht er noch ein letztes Mal, Miriam zu verscheuchen.
    »Jetzt setzt’ dich da einfach wieder aufs Sofa und gibst a Ruh’!«
    Angst und Irritation flackern in Miriams Augen auf, als sie energisch den Kopf schüttelt, aber aufgeben will sie nicht.
    »Es ist wichtig, dass ich dieses Lied jetzt hier singe. Ich muss das tun. Und ich kann das auch. Ganz sicher … jetzt spiel!«
    Lampenfieber kämpft gegen Willenskraft. Miriam schließt ihre Augen und unterstützt mit beiden Händen ihren Bauch, um ihre Kräfte zu sammeln. Den Text braucht sie nicht. Alle Worte sind mit einem Mal wieder glasklar da. Der Nebel hat sich gelichtet. Das Nicken ihres Kopfes folgt minutiös jedem Ton von Connis

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