Mariana: Roman (German Edition)
Gastgeber durch eine lange Galerie, in der düstere Porträts von ihren erhöhten Posten an den getäfelten Wänden auf mich herabstarrten. Ihre Augen drückten alle Mißbilligung aus. Alle, bis auf ein Paar, das zu einem herausfordernd blickenden jungen Mann auf dem vorletzten Gemälde gehörte.
»Euer Porträt, Mylord?« Ich blieb stehen, um es zu betrachten. »Ihr seid gut getroffen.«
»Lely hat es gemalt«, erzählte er und betrachtete sein Bildnis abschätzend, »kurz nachdem ich aus Frankreich zurückgekehrt war. Eine kleine, eitle Schwäche von mir.«
»Und dieses?« Ich ging weiter zum nächsten Porträt und sah stirnrunzelnd in das Gesicht eines Jungen mit lockigem, blonden Haar und träge blickenden Augen.
Richard sah ebenfalls hinauf. »Mein Neffe Arthur«, stellte er den Jungen vor. »Er hat das Aussehen meines Bruders, aber leider nicht seinen Charakter.«
Ich hätte noch länger in der Galerie verweilt, doch er drängte mich weiter durch eine neue Tür in einen großen, luftigen Saal mit glänzenden Glasfenstern und einer Decke, die so hoch schien wie die Deckenbögen einer Kathedrale.
»Oh«, staunte ich, und meine Augen wanderten nach oben. Das war ein Raum, dachte ich schwärmerisch, der Prinzen zur Ehre gereichen würde. Die Wände waren mit Samt und aus scharlachroter und blauer Wolle gewebten Teppichen behangen, auf denen dunkeläugige Satyrn und blasse, weiße Nymphen, Vulkan und Venus und eine Reihe alter Helden dargestellt waren. Um den ganzen Raum verteilt hingen silberne Wandleuchter mit Kerzen darin, bereit, ihn mit hundert Lichtpunkten zu erhellen und die Dunkelheit für immer zu verbannen. Auch der Kamin würde viel Licht spenden, dachte ich, dieser riesige, steinerne Kamin, der brennende Baumstämme von der Größe und Breite eines Mannes fassen konnte …
»Es ist ein stattlicher Raum«, sagte Richard neben mir. »Ich bedaure, daß die Ausstattung so ärmlich ist, aber ein großer Teil der Möbel wurde während der Gefangenschaft meines Vaters verkauft.«
Es gab tatsächlich nur eine Handvoll Stühle und kleine Tische, die um den kalten Kamin herum gruppiert waren, aber das tat dem Ganzen keinen Abbruch. Ich trat einen Schritt vor und reckte den Hals, um das gemeißelte Wappen über dem Sims zu betrachten.
»Das Wappen meiner Familie«, erklärte er. »Die Falken tragen Hauben, um uns daran zu erinnern, daß wir in der Schlacht nicht unseren Augen trauen, sondern blind unserem Herrscher folgen sollen. Wir kämpfen mit unseren Herzen«, ergänzte er, »und nicht mit unseren Köpfen. Und das hat uns schon viel gekostet.«
»Aber Ihr könnt nicht zerstört werden«, betonte ich. »Das besagt Euer Motto. Das ist doch immerhin tröstlich.«
»Ihr könnt Latein?« Sein Ton war ungläubig, und ich senkte verlegen die Augen.
»Mein Vater hat es mir beigebracht«, sagte ich mit leiser, trotziger Stimme. »Er sagte, wenn eine Königin Latein lesen kann, so sollte ich das auch können.«
»Er muß ein bemerkenswerter Mann gewesen sein, Euer Vater. Ist er erst kürzlich gestorben?«
Ich schüttelte den Kopf. »Vor neun Jahren. Ein Fieber überkam ihn, wovon er sich nicht mehr erholte. Ich war elf Jahre alt.«
»Habt Ihr keine seiner Bücher für Euch behalten?«
»Sie wurden verbrannt«, antwortete ich tonlos. »Alles in unserem Haus wurde nach dem Tod meiner Mutter aus Furcht vor der Pest verbrannt.«
Er starrte auf mich herab. »Eure Mutter starb an der Pest?«
Ich nickte, unfähig zu sprechen, und er schüttelte mitfühlend den Kopf. »Es ist eine furchtbare Seuche«, sagte er. »Ich habe gehört, daß allein in der vergangenen Woche fünfhundert Menschen an ihr gestorben sind, und es ist kein Ende abzusehen.«
»Die Strafe des Herrn für ein sündiges Volk«, murmelte ich nachdenklich und sah dann entschuldigend auf. »Das sind die Worte meines Onkels.«
Sein Gesicht verhärtete sich. »Euer Onkel ist ein Dummkopf. Die Strafe existiert nur in seinem Kopf und sonst nirgends. Seine Seite hat den Kampf verloren, und nun möchte er die Sieger leiden sehen.«
Ich starrte ihn verständnislos an, und er lächelte plötzlich, so daß die Düsternis aus seinen Zügen verschwand. »Aber unser Gespräch ist trübselig geworden«, beklagte er sich. »Verzeiht mir. Kommt, laßt mich Euch das Haus zeigen, bevor wir zu Abend speisen.«
»Ich kann nicht mit Euch speisen, Mylord«, protestierte ich kopfschüttelnd.
»Aber ich bestehe darauf. Ich werde nicht oft von Besuchern
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