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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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schwingendes Gatter, das auf der linken Seite in die niedrige Mauer eingelassen war, führte auf den Friedhof und bot eine Abkürzung zurück zur Hauptstraße.
    Zu meiner Rechten stand, auf gleicher Höhe mit der Vorderfront des imposanten Parktores, ein langgestrecktes, niedriges Gebäude mit einem Dach aus Steinziegeln. Der angenehm strenge Geruch, der durch die weit geöffnete Tür drang, sagte mir sofort, daß es sich um die Ställe handelte. Mein Zögern dauerte nur einen kurzen Moment. Noch nie hatte ich der fast magnetischen Anziehung, die Pferde auf mich ausübten, widerstehen können. Das Gutshaus selbst vergaß ich völlig und strebte auf die Doppeltür aus dicken Brettern zu. Nachlässig schlug ich nach einer Fliege, die um mein Ohr herum brummte.
    Das Stallgebäude war unverkennbar alt, aus einem groben, grauen Stein gebaut, der dem glich, der für mein Haus verwendet worden war. Sandsteinblöcke, hatte Vivien gesagt. Die Fliege schwirrte wieder an mir vorbei, mit noch lauterem Brummen, und ich verjagte sie abermals. Der Duft und die Wärme der Ställe umgaben mich, und ich hielt einen Moment inne, um meine Augen an das Dämmerlicht zu gewöhnen.
    Es gab sieben Fensternischen, und die meisten der zweigeteilten, holzgerahmten Fenster enthielten noch die ursprüngliche Bleiverglasung, vor der bläulich schimmernde Fliegen zufrieden summten. In sechs der neun Stallplätze standen Pferde, deren Farben von Tiefschwarz bis zu einem goldschimmernden Kastanienbraun reichten. Aber es war das graue Pferd in der Eckbox am anderen Ende, das meine Aufmerksamkeit erweckte und von dem ich meinen Blick nicht lösen konnte.
    Es war ein Hengst von gut einem Meter sechzig Stockmaß, mit stolz geschwungenem Hals und edlem Gesicht, das von brennender Hitze, Sandstürmen und Wüste und den weit entfernten Königreichen der Söhne Allahs sprach. Als ich mich näherte, wandte mir der Graue seinen Kopf mit den dunklen, etwas forschend blickenden Augen zu und schnaubte sanft. Ich streckte eine Hand aus, um seine samtige Nase zu streicheln, und die fein gezeichneten Nüstern bebten zur Antwort und sogen meinen Geruch ein.
    »Hallo Navarre«, begrüßte ich ihn liebevoll, »wie geht’s dir, mein Schöner?«
    Der Hengst schmiegte sein Maul in meine Hand, auf der Suche nach einer unerlaubten Nascherei. Und er hätte wohl auch eine bekommen, wenn ich nicht in diesem Moment näher kommende Schritte gehört hätte – schwere, sichere Schritte, die von einem fröhlichen, unmusikalischen Pfeifen begleitet wurden. Ich fuhr schuldbewußt zur Tür herum, meine Hände hinter dem Rücken verborgen wie ein ungezogenes Schulmädchen.
    Aber niemand kam herein.
    Die Fliegen brummten lauter gegen die Fensterscheiben und übertönten das Geräusch meines schnell schlagenden Herzens, als ich in die plötzlich grelle, elektrische Beleuchtung blinzelte, die vor einem Augenblick noch nicht dagewesen war. Verschwunden waren die bleigefaßten Fensterscheiben, ersetzt durch energiesparende Doppelverglasung. Verschwunden waren auch die alten, schmalen Stallplätze, an ihrer Stelle befanden sich nun fünf geräumigere, untadelig saubergehaltene Boxen. Und das hinter mir stehende Pferd war, als ich den Mut aufbrachte hinzusehen, kein Grauer mehr, sondern ein dunkler Rotbrauner, der mich von seiner sicheren Warte an der hinteren Wand neugierig beobachtete.
    Ich nahm mir keine Zeit zu analysieren, was gerade geschehen war. Ich rannte. Ich rannte aus dem Stall hinaus, über den Fußweg und durch das Schwinggatter in die stille Zuflucht des Friedhofs hinein, und wenn ich nicht mit dem Fuß an einer herausragenden Baumwurzel hängengeblieben wäre, wäre ich wahrscheinlich immer weitergerannt.
    Aber so landete ich mit ausgestreckten Gliedern unrühmlich in einem Gewirr von Unkraut, das sich vom Boden bis zur Friedhofsmauer hinaufrankte, und war gezwungen, einige Augenblicke ganz still zu liegen, weil der Sturz mir den Atem geraubt hatte. Und während ich dort lag, nach Luft schnappte und entgegen jeder Wahrscheinlichkeit hoffte, daß mich niemand in dieser unwürdigen Lage sah, fiel mein herumirrender Blick auf einen verwitterten Grabstein, nicht weit von meiner Hand entfernt.
    Es war ein alter Stein, der sich in einem unmöglichen Winkel neigte und so dicht von Efeu überwuchert war, daß man nur den Vornamen der Person lesen konnte, die darunter begraben lag:
    Mariana …

Kapitel sieben
     
    Der Zugang zu Viviens Privaträumen auf der Rückseite des Roten

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