schleuderte ihr Heft quer durchs Zimmer. Ich mach diesen Quatsch einfach nicht.»
«Dann wirst du ins Klassenbuch eingeschrieben», sagte Muriel, schrieb ein
unter ihre Arbeit und zog hochbefriedigt mit dem Lineal zwei vollkommen parallele Striche darunter.
Mary kämpfte vor Wut mit den Tränen. Muriel nahm ihr Geschichtsbuch heraus und fing an, eine Reihe von Daten abzuschreiben. Sie schien hier übernachten zu wollen. Wie wurde man seine Gäste nur wieder los?
Ihre Mutter wußte es bestimmt. Mary wünschte, sie würde bald kommen.
Mrs. Shannon kam abgespannt nach Hause, aber sie fand, sie müßte zu Marys Freundinnen besonders nett sein, ganz egal, wie sie aussähen, und so verzögerte sie Muriels Aufbruch noch durch ein Gespräch, ja, sie schlug sogar noch eine Partie Rommé vor. Muriel, die noch nie Rommé gespielt hatte, stellte sich reichlich dumm an, sie konnte keine Karten mischen, und man mußte ihr immer sagen, wann sie dran war, dennoch endete das Spiel damit, daß sie gewann.
Mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit zwang sie Mary, sie in Sheen zu besuchen. Diesen Besuch schilderte Mary ihrer Mutter später als reinste Höllenqual. Es gab Milch, keinen Tee, zwei Sorten Kuchen, von denen einer schlechter war als der andere, und Brötchen mit viel zuwenig Butter darauf. Man saß um einen riesigen Tisch aus Mahagoniholz im Eßzimmer, an den Wänden hingen lauter Stilleben, und es roch noch nach dem Essen vom letzten Sonntag.
Da war zunächst Dr. Hopkins, der offenbar seine eigene Art hatte, mit Kindern umzugehen und die ganze Zeit unermüdlich und mit etwas gespreizter Freundlichkeit auf Mary einredete; Muriels jüngerer Bruder, der Fußballschuhe trug und immer mit vollem Mund lachte; Murielskleine Schwester mit einer riesigen, weißen Schleife im Haar, die mindestens 6 Jahre war, aber sich, weil sie damit offenbar Erfolg hatte, wie eine altkluge Dreijährige benahm, und schließlich Mrs. Hopkins, die wie eine fettere Ausgabe von Muriel aussah. Sie nannte ihre Kinder «Leute» und war dumpf entschlossen, Mary in ihr glückliches Familienleben mit einzubeziehen. Später spielten sie «Mensch, ärgere dich nicht», wobei Muriel Mary mit hinauf in ihr Zimmer, wo sie sich durch sechs dicke Fotoalben und einen Stapel Ansichtskarten von den ödesten Seebädern Englands hindurchquälen mußte. Sie saßen auf dem Bett, und Mary stieß mit dem Fuß an etwas, was darunter stand und «kling» machte. Sie schüttelte sich vor Ekel, genau wie beim Anblick der Haare in Muriels Kamm und Bürste auf dem Frisiertischchen.
Bald nach diesem Besuch entdeckten Mary und Angela Shaw ihre Sympathie füreinander, und jetzt, da sie nicht länger auf Muriels Gesellschaft angewiesen war, erwehrte Mary sich ihrer entschlossener und rücksichtsloser. Nach einer Weile gab Muriel es auf, hinter ihr herzulaufen und zu fragen: «Kann ich nicht neben dir sitzen?» und: «Wir sind doch Freundinnen, nicht wahr?» Statt dessen stürzte sie sich mit hoffnungsvollem Blick auf ein paar Neue, die zum Beginn des Sommersemesters eingetroffen waren.
Angela Shaw war das erste Mädchen, das Mary in ihrem Leben wirklich gern hatte. Sie war viel größer als Mary, ihre Beine in den schwarzen Schulstrümpfen erschienen endlos lang, und ihre Tunika war kürzer als die aller anderen. Sie sah eigentlich aus wie ein Junge, hatte Sommersprossen, eine Stupsnase und zarte, helle Augenbrauen und Wimpern, aber sie besaß einen sehr mädchenhaften rotgoldenen Lockenschopf, der ihr ganz natürlich in die Stirn fiel. Die Lehrerinnen — je nach dem Grad ihrer Autorität — bezeichneten ihr Benehmen als unpassend, herausfordernd, unsportlich oder auch als In diesem Sommer hatte Mary angefragt, ob sie Angela nach Charbury einladen dürfe, und Großmama hatte ihr geantwortet: «Aber natürlich, mein Liebling, bring die ganze Schule mit, wenn du Lust hast.» Sie hatte Angela die Einladung übermittelt, während sie beide in einem