Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mariannes Traenen

Mariannes Traenen

Titel: Mariannes Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas M.
Vom Netzwerk:
schweigend den Blick zum Fenster und schaute hinaus. Graue Nebelfetzen krochen die Hänge hinauf. Die spärlichen Sonnenstrahlen des Morgens scheuchten sie auf, hatten aber noch nicht die Kraft, sie zu verflüchtigen. Doch Mariannes Blick war verloren, ging ins Leere, sie sah das alles nicht wirklich.
    „Mama, gibt es etwas, das ich wissen sollte ?“
    Marianne schüttelte den Kopf, ohne sie anzusehen. „Nein “, sagte sie leise. „Laß nur, Liebes. Ich komme schon klar.“
    Kathrin nickt und sah ihre Mutter dabei an. „Klar“, sagte sie nur. Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie schüttelte ihre Mutter sanft an der Schulter, und Marianne wandte sich ihr wieder zu. Nur um gleich darauf reglos innezuhalten, den Blick starr über Kathrins Schulter gerichtet. Kathrin drehte sich im Sitzen um und schaute in die gleiche Richtung, um die Ursache zu erfahren. Offenbar fixierte ihre Mutter diesen fremden Mann, diesen Rudolf Stadler, der gerade beim Orangensaft stand und sich dort in aller Ruhe ein Glas genehmigte. Daß neben ihm eine ältere Dame mit ihrem Glas in der Hand wartete, schien ihn nicht im Geringsten zu interessieren. Ohne die Dame zu beachten, zapfte er sich ohne Hast ein weiteres Glas aus dem Behälter und trank auch dieses langsam und in einem Zug aus. Dann stellte er sein Glas achtlos auf das Tablett mit den frischen Gläsern und ging davon. Sein Blick streifte die beiden Frauen am Tisch, glitt aber wie durch sie durch, ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde bei ihnen zu verharren. Als Kathrin sich wieder zu ihrer Mutter drehte, war deren wehmütiger Blick wie gebannt auf die Tür gerichtet, durch die der Fremde soeben verschwunden war.
    „Mama?“
    „Was?“ Marianne fuhr zusammen, wie aus einem Traum gerissen.
    „Mama, ist es …“ Kathrin zögerte. „Ist es dieser Mann?“
    „Wie?“ Ihre Mutter sah sie verständnislos an.
    „Mama, was … was macht er mit dir? “ Kathrin hatte sich ihr genähert und sprach sehr leise.
    Doch mit einem Mal schob Marianne sie fast brüsk zurück und schüttelte mit verärgerter Miene den Kopf. „Er macht … nichts! Ich … kenne diesen Mann gar nicht. Er ist … er ist …“ Sie schluckte trocken. „Er ist nur ein Gast. Und jetzt hör auf, so daherzureden!“
    „Na gut!“ Kathrin sprang auf und war sichtlich beleidigt ob der barschen Reaktion ihrer Mutter. „Du mußt es ja wissen!“ Mit einem eleganten Schwung drehte sie sich um und schwebte auf ihren hohen Pumps davon. Zwei ältere Herren im Speisesaal schauten ihr hinterher, verstohlen, damit ihre Frauen nichts bemerken sollten.
    „Er ist nur ein Gast“ , flüsterte Marianne leise. „Nur ein Gast.“
    Angestrengt schloß sie die Augen und schüttelte den Kopf. Sie fürchtete sich vor heute abend. Es geht alles so schnell . Sie fühlte sich wie von einem riesenhaften Strudel erfaßt und hinab gerissen. Hinab in das schwarze Auge dieses mörderischen Wirbels. Alles drehte sich vor ihren Augen. „Reiß dich zusammen!“, beschwor sie sich selbst leise. Mach dich nicht verrückt. Er hat dir gesagt, daß er dich öffentlich nicht beachten würde. Im Gegenteil. Er hatte sie vorgewarnt, er würde sie behandeln, als sei sie Luft. Er könne so früh noch nicht wissen, wie die Fäden in der Sache liefen, wer alles involviert sei und ob es nicht im Haus selbst jemanden gebe, der sie beobachtete und alles Verdächtige sofort an Gunther von Rhodalb weitermelden würden. Das sei sein Stil, habe der Detektiv berichtet, so habe er es schon öfter gemacht. Man hatte ihm Erpressung zwar noch nie nachweisen können. Doch es bestehe kein Zweifel, daß gerade sie zu seinen bevorzugten Methoden zählte.
    Marianne zwang sich, ein paar Bissen zu essen. Der stets wachsamen Elsa war nicht entgangen, wie sie sich aufführte. Ohne Aufforderung stellt sie ihrer Dienstherrin ein Glas Orangensaft neben den Teller. „Da drinksch‘d!“, sagte sie nur, und war gleich darauf schon weiter, um am nächsten Tisch abzuservieren.
    Mit dem kühlen, süßen Saft schienen auch Mariannes Lebensgeister wieder in sie zurückzuströmen. OK, na gut, dachte sie, ich werde von den beiden angeleint, angekettet und geschlagen werden. Das hatten wir schon. Und ich werde ihnen sexuell zu Diensten sein müssen. Auch das werde ich überstehen. Rudolf wird dabei sein. Und dann hatte der Gedanke an ihn plötzlich wieder etwas Beruhigendes an sich und machte ihr Mut. Mit erwachendem Hunger machte sie sich endlich über das Frühstück her,

Weitere Kostenlose Bücher