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Marias Testament

Marias Testament

Titel: Marias Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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Tür hämmerten. Und wenn es dunkel wurde, legte ich mich aufs Bett, und manchmal schlief ich. Trotz meiner Einsamkeit erkannte ich nach und nach, dass das Haus gezeichnet war und dass man mich bemerkte und beobachtete, wenn ich die Ziegen hütete oder die Hühner fütterte. Wenn ich Wasser holen ging, traten die Leute am Brunnen, sowie ich näher kam, beiseite, ließen mich mit meinem Wasserkrug passieren und blieben stumm, bis ich mich wieder nach Hause gewandt hatte. Wenn ich in die Synagoge ging, machten mir die Frauen Platz, achteten darauf, nicht zu dicht bei mir zu sitzen. Ein paar Frauen sprachen allerdings mit mir, ein paar Neuigkeiten erreichten mich so. Es war eine seltsame Periode, während der ich mich bemühte, nicht nachzudenken oder mir etwas vorzustellen, oder zu träumen, oder mich auch nur zu erinnern, eine Phase, in der die Gedanken, die sich einstellten, unaufgefordert kamen und um die Zeit kreisten – die Zeit, die einen vollkommen wehrlosen Säugling in einen kleinen Jungen verwandelt, ihn mit Ängsten, Unsicherheiten und kleinen Grausamkeiten ausstattet, und dann einen jungen Mann erschafft, jemanden mit eigenen Worten und Gedanken und geheimen Gefühlen.
    Und dann schuf die Zeit den Mann, der auf der Hochzeit zu Kana neben mir gesessen hatte, den Mann, der mich nicht beachtete, der auf niemanden hörte, einen Mann voller Macht, einer Macht, die scheinbar keinerlei Erinnerung an frühere Jahre zuließ, da er die Milch meiner Brust brauchte, meine Hand, die ihm beim Laufenlernen half, das Gleichgewicht zu bewahren, oder meine Stimme, die ihn in den Schlaf wiegte.
    Und das Seltsame an der Macht, die er ausstrahlte, war die Tatsache, dass durch sie meine Liebe zu ihm und mein Wunsch, ihn zu beschützen, tiefer wurde als zu der Zeit, als er noch keine Macht besessen hatte. Es war nicht so, dass ich sie durchschaut oder nicht an sie geglaubt hätte. Es war nicht so, dass ich ihn immer noch als Kind sah. Nein, ich sah eine Macht, die gefestigt und wahrhaftig war, voll ausgebildet. Ich sah etwas, das keine Geschichte zu haben und von nirgendwo gekommen zu sein schien, und ich strebte in meinen Träumen und meiner wachen Zeit danach, sie zu beschützen, und ich empfand eine beständige Liebe zu ihr. Zu ihm, was immer aus ihm geworden war. Ich glaube, ich hörte damals auf sehr wenige Menschen, aber irgendjemandem auf der Straße oder am Brunnen muss ich zugehört haben, denn ich erfuhr, dass seine Anhänger auf einem Schiff in See gestochen waren. Sie fuhren auf dem Schiff hinaus, nachdem mein Sohn in die Berge verschwunden war, weil er nicht mit ihnen zusammensein wollte, und auch nicht mit mir geflohen war, wie ich ihn angefleht hatte, es zu tun, sondern allein blieb, weil auch er die Zeichen gesehen und die Gefahr erkannt haben musste. Seine Anhänger, erzählte man mir, waren mit einem alten Boot aufs Meer hinausgefahren und hatten aus irgendeinem Grund auf Kafarnaum zugehalten. Es war finster, und das Meer erhob sich von einem plötzlichen großen Wind; er blies das Gefährt, das überfüllt war, vor und zurück und füllte es mit Wasser, während es von den Wellen hin und her geworfen wurde, sodass alle seine Anhänger befürchteten, ertrinken zu müssen. Da geschah es, erzählte man mir, dass er ihnen im Mondlicht erschien, und er ging tatsächlich, so murmelte jedenfalls meine Nachbarin, auf dem Meer daher, als ob es ebenes trockenes Land wäre. Und durch seine Macht beruhigte er die Wellen. Er tat, was niemand sonst tun konnte. Es muss auch andere Geschichten gegeben haben, und von dieser einen hörte ich vielleicht auch nur einen Teil, vielleicht geschah noch etwas anderes, oder vielleicht gab es gar keinen Wind, oder er machte, dass der Wind sich legte. Ich weiß es nicht. Ich dachte nicht weiter darüber nach.
    Ich weiß, dass eines Tages, als ich am Brunnen stand, eine Frau kam und sagte, er könne der Welt ein Ende machen, wenn er es wollte, oder Dinge zu ihrer doppelten Größe anwachsen lassen, und ich weiß, dass ich mich von ihr abwandte, ohne meinen Wasserkrug gefüllt zu haben, und nach Haus zurückging und bis zum folgenden Tag nicht wieder herauskam. Ich lebte in einem Dunst des Wartens und versuchte, nicht nachzudenken oder mich zu erinnern. Ich bewegte mich leise in den vier Wänden des Hauses oder im Garten oder auf den Feldern. Ich brauchte sehr wenig Nahrung. Manchmal ließ eine der Nachbarinnen an einem Haken an der Seitenwand etwas zu essen hängen, und wenn es Nacht

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