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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Gleich als ich dich zum ersten Mal sah, kleine Olive, musste ich an die heilige Marthe denken, denn so, wie du bist, so habe ich sie mir in meiner Phantasie immer vorgestellt.“
    Olive senkte verlegen den Blick, lächelte ein wenig und sagte dann leise: „Danke für die schöne Geschichte, Hochwürden!“

    Zum Abschied schenkte ich Olive ein goldenes Medaillon mit einem Bild von mir und ein kostbares Tagebuch aus dunkelblauem Samt, nebst goldenem Schlüsselchen, das mich an jenes erinnert hatte, um dessentwillen ich als Kind dem Krämer Chalet jeden Gefallen getan hätte. Auch Olive freute sich über das Tagebuch mehr als über das Schmuckstück.
    „Ach, Tante Marie, das werde ich dir nie, nie vergessen!“ versprach sie mir beim Umarmen. Ihr letztes Lächeln aber, als sie nach ihren Eltern in Antoines Einspänner stieg, um zum Bahnhof nach Esperaza zu fahren, hatte nicht mir, sondern Bérenger gegolten.

    Er grinste zufrieden vor sich hin, als ich zu winken aufgehört hatte und ihm in die Küche folgte. „Du alter Schwerenöter!“ Ich zauste ihn und lachte. „Du hast der Kleinen das Herz gebrochen! Die heilige Marthe - ach du lieber Gott, wenn sie sich jetzt nur nichts einbildet.“
    Da lachte auch er laut auf. „Marie, ich musste unbedingt etwas für ihr Selbstbewusstsein tun. In diesem Alter haben es die Mädchen bitter nötig. Die Kleine sieht übrigens nicht nur so aus, wie du wohl ausgesehen hast in ihrem Alter – ja, auch noch, als ich dich zum ersten Mal zu Gesicht bekam -, sondern sie hat entschieden deinen Dickschädel. Habe ich es einst geschafft, dich zu zähmen, so war es gewissermaßen ein Kinderspiel für mich, die Kleine zum Abschied auf andere Gedanken zu bringen. Aber nun lass dich einmal in den Arm nehmen, meine Marinette. Du warst mir eine große, ja eine sehr große Hilfe. Ich wusste schon immer, dass dir Kriminalgeschichten gefallen, dass du aber selbst eine so hervorragende Detektivin bist, davon hatte ich bislang nichts geahnt“, sagte er mit ironisch gefärbter Stimme. „Vor dir muss man sich ja in acht nehmen! Respekt, würde dein Bruder jetzt sagen, Respekt.“
    Ungestüm überhäufte er mich mit Küssen, und ich glühte vor Stolz, wenngleich ich einen halbherzigen Versuch machte, ihm zu widersprechen, was das Gezähmtwordensein anbelangte.
    „Soll ich dir beweisen, mein Liebchen, wie sehr ich dich gezähmt habe?“ fragte er mich. Er drängte sich ganz eng an mich, und griff mir dann unter den Rock. Schon lange waren wir uns nicht mehr nahe gewesen. Seine Augen glitzerten. Er zog mich noch in der Küche aus, biß mir ins Ohrläppchen, küsste zärtlich die kleine Grube an meinem Hals, entblößte meine Brüste. Dann wandte er sich abrupt ab, lief hinaus zur Eingangstür und drehte zweimal den Schlüssel herum, damit nicht etwa Antoine oder einer aus der Gemeinde uns erwischte. Ich stand am Küchentisch mit offener Bluse und zitterte, obwohl es bereits unerträglich heiß war an diesem späten Augusttag. Bérenger zog gemächlich die Vorhänge zu, ehe er zu mir kam. Der Küchentisch war hart. Ich spürte es nicht. Drei Kaffeetassen gingen zu Bruch bei diesem außergewöhnlichen Nachweis seiner herausragenden Dompteursbegabung.
    Vage dachte ich bei mir, dass es zum Glück nicht die Fabelteller gewesen waren, die hinunterfielen.

    Am späten Nachmittag ließ Bérenger anspannen und fuhr ins Tal zu Boudet. Mitten in der Nacht erst kam er zurück. Ich hatte in der Küche auf ihn gewartet, weil ich neugierig war, ob sie das Grabmal gefunden hatten.
    „Nein, wir waren noch nicht einmal in der Nähe. Wir haben nur miteinander geredet, Boudet und ich“, sagte er gähnend und schlich sich gleich darauf in seinen Turm hinauf.
    Zwei Tage später begaben sich die beiden Priester auf eine längere Wanderung. Natürlich kannte ich ihr Ziel.

31
    „Wie etwas, das enttäuscht du schlürfst
    mit Bitterkeit ...“
    Paul Valéry , Die junge Parze

    Und nun muss ich etwas berichten, von dem ich selbst beim Schreiben peinlich berührt bin, so sehr schäme ich mich dafür. Nicht für die Dinge, die ich aus Liebe zu Bérenger getan habe, ich sagte es schon einmal, nicht für Liebe auf harten Küchentischen, offenstehende Blusen, zerbrochene Kaffeetassen oder wogende Kornfelder schäme ich mich, sondern für das, was nach Bérengers Exkursion zum Rialsesse geschah.
    Er war fast eine Woche weg gewesen. Ich hatte mir die Augen nach ihm ausgeschaut – wie einst Simone nach ihrem Mann - und kaum mehr

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