Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
einem kleinen Anflug von Neid in der Stimme.
„Ja, darauf bin ich sehr stolz. Im Freien können sie hier nicht mehr gedeihen, so nah bei den Pyrenäen wird es zu kalt im Winter.“
„Haben Sie von dem Parasiten gehört, der seit kurzem die Orangen- und Zitronenbäume in der Nähe des Cap Ferret befällt?“
„Was ist das für ein Parasit, Barthélémy?“ fragte Juliette, ohne dass man den Eindruck hatte, sie erwartete ungeduldig eine Antwort. Doch mein gewissenhafter Bruder gab selbstverständlich umgehend zum besten, was er darüber wusste:
„Es soll sich um eine australische Schildlausart handeln. Vor Jahren sei sie in Portugal aufgetaucht, und inzwischen würde sie das gesamte Obstanbaugebiet von Saint-Jean-de Mer schädigen. Ich weiß das von einem Kunden, der mir darüber geschrieben hat. Er ist sehr verzweifelt deswegen.“
„Nun“, beruhigte ihn Bérenger, „man wird einen Ausweg finden, alles ist eine Frage der Zeit. In Portugal – ich kann mich noch gut daran erinnern - hat man seinerzeit eine kalifornische Maikäferart importiert, die zu den natürlichen Feinden jener Blattlaus gehört. Sicherlich wird das auch hier zu bewerkstelligen sein. Wie steht geschrieben? ´Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.`"
Bérenger – ganz würdevoller Priester - stand auf und schenkte nach.
„Wie schön ist doch unser Land“, seufzte er und nahm einen zweiten Anlauf, den Abend in eine bestimmte Richtung zu lenken. Er hob das Glas und sprach: „Santè! Santè! Niemals möchte ich von hier wegziehen, weder nach Portugal noch nach Kalifornien. Jedoch vermisse ich die Zeit, die ich früher zur Genüge hatte, die Zeit, um zu wandern und durch die Gegend zu streifen, die Berge zu erklimmen, die Beine in das kalte Wasser der kleinen Flüsse baumeln zu lassen. Ach ja.“
Das Stichwort für mich! Ich räusperte mich verhalten.
„Weil Sie gerade von kleinen Flüssen reden“, sagte ich - wenn wir Gäste hatten, ging ich ganz selbstverständlich zum Sie über -, „da fällt mir eine Begebenheit ein. Ich bin nämlich auch gerne hier herumgestreift. Kannst du dich noch daran erinnern, Barthélémy?“
„Aber natürlich, Kleine. Ich kann mich an jede einzelne Tour mit dir entsinnen“, erwiderte mein Bruder generös und sichtlich erleichtert, wieder zu Wort zu kommen. Er nahm einen großen Schluck Champagner. „Hervorragend, dieser Tropfen, wirklich hervorragend“, er schmatzte sogar ein wenig und lehnte sich gemütlich an die steinerne Brüstung, den linken Arm um seine Frau gelegt. „Auf dein besonderes Wohl, liebe Marie! Und auf das Ihre natürlich auch, Curé! Ein schönes Geburtstagsfest war das heute.“
Die Grillen zirpten, und die Luft war so lau, dass ich, auch ohne unser Vorhaben, nur ungern zu Bett gegangen wäre, obwohl ich der langen Kocherei wegen ziemlich müde war. Den ganzen Abend schon hatte Barthélémy dem Bordeaux zugesprochen. Dann dem Cognac, und nun dem Champagner. Aber es war ja ganz in unserem Sinne, dass er ein wenig betrunken wurde.
Endlich fuhr er fort: „ Tja, unsere Wanderungen! Du hattest keine rechte Ausdauer, Marie, das muss ich dir heute einmal sagen. Kaum waren wir zwei Stunden marschiert, haben dir schon die Beine weh getan. Eine richtige Zimperliese warst du damals.“
Sehr höflich war Barthélémy nicht gerade. Aber irgendwie mussten wir zum Ziel kommen. Ich stand auf und sah ins Tal hinunter. „Hast du mich deswegen so selten mitgenommen auf deinen Erkundungstouren? Ich erinnere mich genau, wie neidisch ich war, als du eines Tages irgendein merkwürdiges Grabmal entdeckt hattest und ganz aufgeregt nach Hause kamst.“
Ich hatte mich umgedreht, um seine Reaktion zu beobachten. Er kniff die Augen zusammen und schwenkte sein Glas leicht im Kreis, so dass der Champagner im Schein der Petroleumlampe aufperlte.
Barthélémy lachte erstaunt auf. „Ach, ja. Das geheimnisvolle Grabmal. Seltsam, ich hatte die Geschichte ganz vergessen. Nun, die Geschäfte nehmen einen halt sehr in Anspruch. Immer ist man unterwegs, immer bestrebt, die Kunden zu halten und das Sortiment zu erweitern.“
Bérenger nickte verständnisvoll, was Barthélémy ermunterte weiterzuschwafeln. Und so kam er vom Hundertsten ins Tausendste, von den Ladenhütern, die seit Jahren im Regal stünden, zu den zahlungsunfähigen Kunden und den raffinierten Verlagen, die man ständig hofieren müsse, um halbwegs ordentliche Konditionen
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