Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
Vom Netzwerk:
gewusst, was ich den Leuten erzählen sollte, denn er hatte sich nicht offiziell abgemeldet, wie er es sonst tat, wenn er auf Reisen ging.

    Ich weiß, ich werde nicht umhin kommen, alles genau zu schildern. Vorerst nur soviel:
    Nach seiner Rückkehr veranstaltete er ein wahrhaft böses Treiben auf dem Friedhof. Bei Nacht und Nebel schleppte er zahlreiche Grabsteine fort, hob uralte Gräber aus, zerrte Gebeine und Schädel hervor, legte sie auf einen Karren, um sie ins Beinhaus zu transportieren, das er vor zwei Jahren - zusammen mit einer geheimen Kammer, die an die Sakristei grenzt - hatte bauen lassen.
    Zitternd, aber ohne Einspruch zu erheben, stand ich an seiner Seite, um ihm bei seinem Frevel zur Hand zu gehen. O ihr längst vergessenen Seelen, dachte ich dabei, die ihr schon Jahrhunderte in Rennes zu Hause seid, euer Schweigen auf unser schändliches Tun scheint so weise wie die alten, anspruchslosen Tuberosen und Terebinthen, die noch immer auf euren Gräbern wachsen.
    Im Morgengrauen schleppten wir als letztes die schwere Grabstele der Markgräfin Blanchefort ins Beinhaus, und Bérenger bemühte sich ungeschickt, aber erfolgreich große Teile ihrer Inschrift mit Hammer und Meißel zu zerstören.
    All das war in einer einzigen Nacht geschehen.

    Von dem nächtlichen Vorfall auf dem Friedhof hatten die Leute natürlich umgehend Wind bekommen und sich zu Recht heftig empört, allen voran der alte Caclar.
    Einen Tag nach der Entdeckung dieser Blasphemie kam er angekeucht, gerade als Bérenger, Antoine und ich dabei waren, zahlreiche Kisten ins Haus zu schleppen. Diese Lieferung hatte mit einer anderen Marotte Bérengers zu tun, nämlich mit seiner unlängst ausgebrochenen Sammelleidenschaft. Wie jemand, der seinen inneren Ruhepol verloren hat, schrieb er Briefe in alle Welt und behauptete, dies nur zu tun, um in den Besitz wertvoller Briefmarken zu kommen. Von seinen Reisen, die er in immer kürzeren Abständen unternahm, brachte er seltenes Porzellan nach Hause, kostbare Stoffe, unzählige alte Bücher („wahre Raritäten, Marie!“), und eines Tages hatte sogar eine Ladung antiker Marmorskulpturen vor der Tür der Villa Béthania gestanden. Der Kirchendiener schüttelte nur noch den Kopf, wenn ihn Bérenger die Kostbarkeiten von einer Ecke in die andere schleppen ließ, weil sich der richtige Standort nicht sofort finden ließ, so vollgestellt wie schon alles war.
    „Gelobt sei Jesus Christus!“ sagte Caclar mit säuerlichem Gesicht - mich und Antoine ignorierend – und lüftete den Zylinder nur ein kleines Stück, was immer ein schlechtes Zeichen war. Verdruss lag in der Luft, ganz offensichtlich. Antoine verdrückte sich sogleich. Er kannte die Launen des Alten zur Genüge, mehr als einmal war er vom „Herrn Bürgermeister“ schikaniert worden. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Bérenger Antoine in diesem Augenblick heftig beneidete.
    „In Ewigkeit. Amen“, entgegnete Bérenger, ein spitzbübisches Lachen im Gesicht. „Was verschafft mir die Ehre? Möchten Sie beichten, oder haben Sie etwas Besonderes auf dem Herzen, Monsieur?“
    „Das kann man wohl sagen, Hochwürden, etwas ganz Besonderes!“ Der Alte strich sich den Spitzbart glatt. „Es gibt Beschwerden über Sie und Mademoiselle Dénarnaud“, knarrte er und zeigte mit dem Finger auf mich. „Heftige Beschwerden! Der Gemeinderat ist empört, ja das ganze Dorf!“
    Mir wurde übel. Wo war nur mein Mauseloch zum Verkriechen?
    „Aber, aber, Monsieur Caclar! Kommen Sie doch erst einmal herein in die gute Stube, bei einem Glas Bordeaux spricht es sich leichter!“ versuchte ihn Bérenger zu beruhigen.
    Caclar nickte mit bitterböser Miene und schlurfte dem Priester hinterher. Er knallte den Zylinder auf den Tisch und setzte sich dann mit viel Getöse auf Bérengers angestammten Platz.
    Wenn Bérenger dem alten Ziegenbock seinen besten Bordeaux anbot, war die Sache ernst, dachte ich, während ich die guten, kristallenen Gläser aus dem Schrank holte. Dass Caclar das Angebot auch noch annahm und den Wein nicht rigoros ablehnte, wo jedermann im Dorf von seiner Abstinenz wusste, das war nun wirklich eine kleine Sensation. Trank er am Ende heimlich und spielte vor den anderen nur den Biedermann?
    Ich schenkte den Herren ein und wollte gerade mit einem Kopfnicken den Salon verlassen, als mich Bérenger zurückrief. „Marie, bleib bitte hier. Monsieur Caclar hat auch dich erwähnt, und so ist es nur recht und billig, wenn du mit eigenen Ohren

Weitere Kostenlose Bücher