Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Rücklagen zu bilden für das Geschäft und die Zukunft von Olive!“
„Marie!“ stöhnte Barthélémy. Sein Gesicht wurde abwechselnd rot und blass. „So hatte also Juliette doch recht, damals in Rennes, als sie mir weismachen wollte, sie hätte Goldbarren gesehen in eurem Keller.“
„Ja, sie hat sie gesehen. Aber du wirst dafür sorgen, dass sie diese drei nicht zu Gesicht bekommt. Das ist meine Bedingung! Du trägst sie noch heute zur Bank – in meinem Beisein am besten –, begleichst all deine Schulden und legst den Rest zur Hälfte auf deinen und zur anderen Hälfte auf Olives Namen an. Hast du mich verstanden!“
Barthélémy nickte, jetzt hochrot im Gesicht. „Ja, ja ... ich habe verstanden! Natürlich. Lass uns gleich gehen. Jedes Wort, das ich dir jetzt sagen möchte, ist zu wenig, um meine tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, Marie! Du hast mir das Leben gerettet, wirklich! Ich kann es nicht fassen, mein Glück! Ich bin sprachlos!“
„Dann schweig“, sagte ich kurz angebunden. Mir schmerzte jämmerlich der Magen. Was hätte ich um eine Tasse heißen Kamillentee gegeben. Mein Bruder steckte die Barren in eine Aktentasche.
Der Bankbeamte schaute erstaunt auf, als er das Gold sah. „Altes Gold, wo haben Sie das her, Monsieur Dénarnaud?“
Barthélémy begann zu schwitzen.
„Er hat es von mir, Monsieur. Und wo es herstammt, tut nichts zur Sache. Gold ist Gold.“
„Natürlich, Madame!“ sagte der Mann beflissen und verbeugte sich in meine Richtung. „Sie werden mir aber zugestehen müssen, dass ich das Gold prüfe.“
„Aber ja“, antwortete ich mit einem Anflug von Arroganz. „Tun Sie, was Sie tun müssen, Monsieur. Wir werden so lange hier warten.“
Als er nach einiger Zeit wiederkam, glänzten seine Äuglein vor Gier, aber er versagte sich weitere neugierige Fragen.
Es stellte sich heraus, dass Barthélémy sich wirklich nicht zum Geschäftsmann eignete. Ohne weiter nachzufragen, hätte er sich gutmütig auf alles eingelassen, was ihm der Kontorist vorschlug. Kurz gesagt, es war von Vorteil, dass ich an seiner Seite war und mich seit langem in pekuniären Angelegenheiten auskannte.
Als wir endlich die Bank verließen, knuffte ich meinen Bruder in die Seite. „Kein Wort zu Juliette! Und keine Frage nach dem Woher. Versprochen?“
„Versprochen auf immer und ewig!“ gab er feierlich zur Antwort. Wir lachten. So hatten wir früher unsere Kindheitsgeheimnisse besiegelt.
Juliette, blass, mager, schlecht frisiert und schwarzgewandet, heulte sofort los, als ich sie in den Arm nahm, um ihr zu kondolieren.
„Woher weißt du, dass mein Vater gestorben ist, und wie konntest du so schnell hier sein, wo noch nicht einmal der Tag für seine Beerdigung feststeht?“
„Ich bin nicht deines Vaters wegen gekommen – ich wusste ja nicht einmal, dass er gestorben ist –, sondern weil ich euch besuchen wollte. Habt ihr denn meine Depesche nicht erhalten?“
Sie schüttelte den Kopf und blickte ratlos zu Barthélémy. Nervös begann sie auf der Kredenz danach zu suchen, wo sich Briefe und Rechnungen stapelten. Sie hatte wirklich äußerst schlechte Nerven, denn als sie nach kurzem Wühlen tatsächlich den noch immer verschlossenen Umschlag mit meiner Nachricht fand, fing sie erneut an zu heulen.
„Es tut mir leid, Marie, wirklich – aber weißt du, die ganzen Unannehmlichkeiten mit dem Geschäft und die plötzliche Krankheit des Vaters ...“
„Kann ich dir irgend etwas abnehmen, Schwägerin? Kondolenzlisten anlegen vielleicht, Blumen bestellen, Verwandte verständigen und so weiter? Ich bin geübt in solchen Dingen.“
„Marie, das würdest du wirklich tun?“ Ihre wasserblauen Augen fingen hoffnungsvoll an zu leuchten.
So suchte ich im Hause meines Bruders Ablenkung von meinen eigenen Sorgen und fand für etliche Wochen meinen Seelenfrieden in einer Unmenge Arbeit.
Meine Nichte war eine Schönheit geworden. Bérenger hätte gewiss seinen ganzen Charme spielen lassen, wenn er sie gesehen hätte. Im schmalen Gesicht, das noch immer den samtigen Ton reifer Oliven hatte – fast als hätte man es bei der Namensgebung erahnt -, fielen einem zuerst die großen dunklen Augen auf, von langen, gebogenen Wimpern umrahmt. Ihr schweres Haar war zu einem dicken Zopf geflochten, den sie geschickt aufgesteckt hatte. Eine hübsche, cremefarbene Spitzenbluse schmeichelte ihrem Teint.
„Sie ist ganz wie du, Marie!“ sagte mein Bruder voller Stolz.
Ich weiß allerdings bis heute
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