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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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kann: Wehmütig dachte ich an die herrlichen, ausgelassenen Feste, die wir hier oben gefeiert hatten. Alles perdu. Alles perdu.
    An der Dornenhecke, die neben dem Treppengeländer zur Galerie hinaufwucherte (Félix hatte wohl vergessen, sie im Herbst zurückzuschneiden), riss ich mir die Hand auf. Ich hielt kurz inne, leckte das Blut ab und zog mich dann, um auf den völlig vereisten Stufen nicht auszurutschen, vorsichtig am Geländer hoch. Als ich den mittleren Treppenabsatz erreicht hatte, sah ich Licht aus dem Turm fallen. War Bérenger am Ende schon wach?

    Guter Gott! Beim Weitersteigen stellte ich fest, dass die Turmtür sperrangelweit offenstand! War Bérenger – in verständlicher Eile – auf dem Weg zum Stillen Örtchen, um sich zu erleichtern? Panische Angst und zugleich frohe Erwartung kämpften um das Vorrecht in meinem Herzen. Ich getraute mich nicht recht weiterzulaufen und blieb mitten auf der Treppe stehen. Da hörte ich ganz leise den Hund winseln.
    „Bérenger, Bérenger“, rief ich halblaut, „wo steckst du?“
    Stille. Einzig Mela antwortete mir mit einem verrückten Lachen.
    Da rief ich den Hund. „Harpalos!“ Einmal, zweimal – und tatsächlich, das Winseln wurde lauter.
    Ich gab mir einen Ruck. Entschlossen erklomm ich die letzte Stufe zur Galerie, bog um die breite Konifere, um danach die Treppe zum Turm hinaufzusteigen. Plötzlich stolperte ich und fiel über etwas, was hier im Morgengrauen herumlag. Es waren Bérengers Beine.
    „Bérenger!“ rief ich entsetzt und rappelte mich halbwegs wieder hoch. Doch er antwortete nicht. Regungslos lag er vor mir im Schnee. Der Hund leckte ihm winselnd das Gesicht.
    Was hatte ich getan!
    „Was ist mit dir, so rede doch!“ schrie ich. Ich ließ mich neben ihn in den Schnee fallen, klopfte ihm rechts und links auf die kalten Wangen und hob seinen Kopf ein wenig an.
    Der Hund fing an zu knurren.
    „Sei still, Harpalos“, herrschte ich ihn an.
    Da - was war das? Hatte Bérenger soeben ...? Oder hatte ich mich getäuscht? War es der Hund gewesen, der diese Laute von sich gegeben hatte?
    Nein, das kaum wahrnehmbare Röcheln kam eindeutig von Bérenger. Rasch hielt ich meine Hand unter seine Nase. Dem Herrn sei Dank: ein leiser Hauch auf meinem Handrücken.
    Er atmet. Er lebt. Gelobt sei Jesus Christus, in Ewigkeit. Amen.
    Rasch eilte ich zum Turm, ergriff alle verfügbaren Decken und Kissen und hüllte Bérenger damit notdürftig ein. Unmöglich hätte ich den schweren Mann alleine transportieren können. Dann schrie ich um Hilfe, was das Zeug hielt.
    „Antoine, Antoine, Hilfe! Hilfe!“
    Was mir Mela antwortete, möchte ich hier nicht wiedergeben. Die Situation war nicht witzig. Harpalos begleitete mein Geschrei synchron und sprang dabei aufgeregt hin und her. Sein ungewohntes nächtliches Anschlagen weckte wiederum die Straußenvögel auf. Sie waren mehr als aufgebracht über die Störung, schrien gellend, ja geradezu durchdringend bis ins Mark, alarmierten die restlichen Vögel, und am Ende unterstützte unbewusst Bérengers ganzer Tierpark, mein Bemühen, Hilfe für ihn herbeizuholen.
    Es dauerte auch nur wenige Minuten, da kam Antoine angerannt, die Hosenträger hingen ihm die Beine hinab. Er trug weder Jacke noch Stiefel. Auf dicken Socken keuchte er die Treppe herauf, hustete aufgeregt, denn er wusste, es konnte sich nur um einen Notfall handeln, wenn die Marie mitten in der Nacht derartig schrie. Ich konnte nur hoffen, dass er jetzt nicht auch noch einen Asthma-Anfall erlitt.
    „Heilige Mutter Gottes!“ Antoine stöhnte auf, als er den Abbé vor sich im Schnee liegen sah. „Was ist mit ihm?“
    „Ich weiß es nicht“, log ich, „ich sollte ihn um diese Stunde wecken und habe ihn gerade so aufgefunden. Er wollte doch heute morgen seine Reise antreten!“
    „Wohl, wohl“, brummte der Alte. Unter größter Anstrengung und mehreren Hustenattacken Antoines zogen wir Bérenger die Stufen zum Turm hinauf. In der Bibliothek betteten wir ihn auf zwei zusammengefaltete Decken und hüllten ihn mit einer weiteren ein.
    „Jetzt zieh dir unverzüglich etwas Warmes an die Füße, Alter, und dann spann an und rase, so schnell du kannst, hinunter zu Dr. Guilleaume! Läute Sturm an seiner Tür, und nimm ihn auf der Stelle mit herauf! Geld spielt keine Rolle, sag ihm das! Auch du sollst einen guten Extralohn haben, wenn du rasch wiederkommst! Ich verspreche es dir hoch und heilig! Viel, viel Geld sollst du haben!“
    „Jawohl!“ keuchte er und

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