Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
sechs Geschwistern, der ihn jemals in Rennes-le-Château besuchte, Jahre später erzählt. Alfred war Jesuit und lehrte auf einem Seminar. Von den anderen Brüdern, Martial und Joseph (letzterer war während seines Medizinstudiums überraschend gestorben), wurde in Rennes-le-Château selten gesprochen, und nur Mathilde, die älteste der drei Schwestern, schrieb ab und an ein paar unverbindliche Zeilen an Bérenger.
Wir saßen gemütlich um den Kamin der Villa Béthania herum, die damals gerade fertiggestellt war, und hatten bereits etliche Gläser Bordeaux getrunken. Im gleichen Wein hatte ich zuvor einige Hasenschlegel geschmort, die Specksoße am Schluss noch mit einem achtel Liter dicker Sahne legiert. Dazu gab es rösch gebackene Kartoffeln, Steinpilze, in Butter gedünstet, mit Knoblauch und Kräutern versetzt, und Preiselbeeren, die ich im Sommer selbst gepflückt und eingeweckt hatte. Bérenger war solche Menüs gewohnt, Alfred jedoch, der auf dem Seminar meist nur schmale Einheitskost vorgesetzt bekam, genoss das Abendessen in vollen Zügen.
Nach dem Dîner erzählte Bérenger seinem Bruder – ob wirklich aus unbegrenztem Vertrauen oder weil er durch den Wein leichtsinnig geworden war und prahlen wollte - ganz offen von einem Merowingerschatz, den er heimlich veräußert hätte, und sogar davon, dass ich – die Marie – als einzige in alles eingeweiht wäre. Natürlich hatte er weder den genauen Fundort verraten, noch das Ausmaß der Schätze annähernd beschrieben. Dafür erklärte er seinem Bruder voller Stolz seine weiteren Bauvorhaben. War Alfred schon am Nachmittag verblüfft, als er die Villa und die Gärten sah, so kam er aus dem Staunen nicht mehr heraus, als er von der neuerlichen Umgestaltung der Kirche und dem geplanten Bau des Turmes erfuhr.
„Wie willst du all das fertigbringen, ohne dass Rom davon erfährt und dir Einhalt gebietet?“
„Pah, Rom“, hatte Bérenger großspurig gemeint und eine wegwerfende Handbewegung gemacht. „Ich habe alles im Griff. Allerdings könnte ich die ganze Angelegenheit nicht ohne die Marie durchziehen. Sie hilft mir, indem sie mir die Leute vom Leib hält. Ja, ohne die gute Marie könnte ich all meine Pläne vergessen!“
Bei seinen Worten war mir das Blut in die Wangen geschossen vor Stolz, nicht etwa vom Bordeaux.
„Was mir nur aufrichtig leid tut“, fuhr er fort, „ist, dass sie ihr in die Schuhe schieben, was eigentlich mir zugeschrieben werden muss.“
„Wie meinst du das, Bruder? Wer schiebt ihr was in die Schuhe?“
„Nun - cherchez la femme -, die Leute hier im Ort sind der festen Überzeugung, Marie würde mich dazu bringen, all die prächtigen Gebäude zu errichten und dabei das schöne Geld geradezu zum Fenster hinauszuwerfen, was natürlich überhaupt nicht stimmt. Nicht wahr, Marie, im Grunde bist du die Leidtragende!“
Ich nickte. „Was soll ich sagen, Messieurs ...!“
„Aber Bérenger“, warf sein Bruder ein, „kannst du dich denn nicht so verhalten, dass deine Haushälterin aus der ganzen Angelegenheit herausgehalten wird? Sie hat keine Möglichkeit, sich zur Wehr zu setzen!“
Alfreds Augen blitzten ebenso gescheit wie die von Bérenger. Und im Augenblick waren sie ziemlich vorwurfsvoll auf seinen Bruder gerichtet.
„Es ist zu spät, lieber Alfred.“ Bérenger zuckte resigniert mit den Schultern. „Die Ärmste ist gebrandmarkt, und zeige du mir einen Weg, Vorurteile und Klatsch zu entkräften.“
War es nun positiv für mich, wie Bérenger mich seinem Bruder präsentierte? Dachte er wirklich so, oder spielte er ihm nur eine schlechte Scharade vor?
„Natürlich ist es schlimm für die Marie“, fuhr er geschwätzig fort und schenkte sich zum wiederholten Male ein, „wenn die Leute ständig hinter ihrem Rücken über sie reden, und ich würde ihr bestimmt keine Steine in den Weg legen, wenn sie mir morgen kündigte und nach Couiza zurückkehrte. Aber ich habe den Eindruck, sie gewöhnt sich langsam daran – nicht wahr, Marie -, und, ehrlich gesagt, sie profitiert natürlich ebenso von dem, was ich gefunden habe, wie ich selbst. Sie kann sich alles kaufen, was sie möchte. Schöne Kleider, Schmuck, Möbel. Sieh dich nur um, Bruder. Sie ist die wahre Herrin über die Villa Béthania! Nicht wahr? Sie schläft übrigens ganz allein in diesem Haus!“ betonte er nachdrücklich. „Ich bewohne noch immer mein Zimmer im alten Pfarrhaus.“
Alfred sah mich ziemlich irritiert an.
Ich nickte zögerlich. Warum sprach
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