Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Korbes hervorblitzte und vielversprechend funkelte ...
Bérengers stoßweiser Atem ließ mir den Nacken feucht werden, die Haare auf meinen Armen sträubten sich. Hart spürte ich sein Geschlecht an dem meinen, und sogleich begannen meine Brüste sich aufzurichten. Ich war bereit. Ich liebte ihn sehr.
Hätte ich da vernünftig sein und ihm widerstehen sollen?
Die Neuigkeit war durch Rennes-le-Château gegangen wie ein Lauffeuer. Jean wartete mit Details auf, die er sich nur unschwer aus den Fingern hätte saugen können.
Die Leute müssen schier entsetzt gewesen sein. Nur haben sie es weniger Bérenger, ihrem Priester, angekreidet, wenn er auch – wie sie sich wochenlang zuraunten – auf die „unanständige“ Weise mit mir verkehrt hat. „Anständig“ wäre in unserem Falle selbstredend ebensowenig angebracht gewesen.
Die Schuldige in ihren Augen war ich.
Bérenger hat mir – wie stets - auf meinen Tränenausbruch hin erklärt, dass die meisten Menschen hier äußerst konservativ wären, ausgestattet mit dem Verstand einfacher Dorfleute. Daher handele es sich keineswegs um Bosheit. Die Bauern könnten nur schwer begreifen, dass die Liebe in vielerlei Gestalt daherkommen kann, dass sie mitunter auch Menschen überfällt, die dem Kirchengesetz nach keusch zu sein hätten. „Gott“, so erklärte er mir hoch erhobenen Hauptes, „Gott hat uns Priestern kein Keuschheitsgelübde abverlangt. Und von menschlichen Vorschriften und Kirchenordnungen kann man durchaus Abstand nehmen, wenn man sie im Herzen für falsch hält. Das sage ich dir, Marie, damit auch du nicht ständig denkst, du sündigst, wenn wir beisammenliegen. Lass die Leute reden, mein Liebchen, und verhalte dich fein still.“
Er hatte wohl recht. Unsere oder vielmehr seine gut dreihundert Schäflein - im Gottesdienst sind sie allerdings in Schafe und Böcke aufgeteilt, die einen sitzen links und die anderen rechts - sind fast allesamt fleißige Bauersleute und tüchtige Handwerker, bibelfeste Gemeindesprecher, treue, fromme und ordentliche Ehefrauen. Ich war, bevor ich zur „Madonna des Priesters“ wurde – so nannten sie mich auch meiner eleganten Kleider wegen, die ich mittlerweile trug - brav, treu, anständig. Fromm? – nun ja.
Verwirrt und trotzig dachte ich bei meinem Aufstieg nach Rennes darüber nach, wie es wohl kommt, dass diejenigen, die ein geordnetes Leben führen wie Louise, oder auch die Caclars und die Dalmas, ständig glauben, die Zuchtrute schwingen zu müssen über andere. Frauen sind hierzulande nur als Ehefrauen anerkannt. Aber große Gefühle, starke Leidenschaften – sie findet man doch auch außerhalb der Ehe, oder?
Das Paradies? Ich glaube bis heute nicht, dass es gefunden werden kann in muffigen Stuben!
17
„Sobald der Vogel kommt, wenn er kommt,
bewahre man tiefste Stille ...“
Jacques Prévert , Pour faire le portrait d`un oiseau
„Boudet fängt an, ein Buch zu schreiben“, erzählte mir Bérenger im Jahr darauf, als wir wieder einmal den staubigen Weg hinuntergingen, um uns in den Berg zu schleichen und Dinge heraufzuholen, die uns eigentlich nicht gehörten. Wir planten, die Schätze wie üblich unter kleinen weißen Tuffsteinen zu tarnen, die wir am Ufer des nahen Couleurbaches auflasen und im Korb hinaufschleppten. „Wir sammeln Steine für eine Grotte, die der Herr Pfarrer errichten will“, erzählte ich bei solchen Gelegenheiten den Leuten, die uns kopfschüttelnd hinterher blickten.
Die Märchen, ich sagte es schon.
Es war noch früh am Morgen, und wir marschierten mit leerem Korb bergab. Obwohl die Tage schon kürzer wurden, versprach es, ein heißer Sommertag zu werden. Die Luft flimmerte, und die Lerchen jubilierten hoch oben am Himmel. Über dem Bugarach zogen einige Schäfchenwolken auf. Bei unseren heimlichen Unternehmungen waren wir auf gutes Wetter angewiesen, denn der Couleurbach tritt bei Regen rasch über sein Ufer. Müde und verschwitzt setzten wir uns auf halbem Weg auf einen großen Felsbrocken, um uns ein wenig auszuruhen. Das Wochenende war anstrengend gewesen. Bérenger hatte ein halbes Dutzend Gäste eingeladen – inclusive Boudet selbstredend -, und ich hatte aufgetischt wie nie zuvor. Die Gäste waren voll des Lobes über meine Kochkünste gewesen.
Natürlich wusste ich längst von Boudets literarischem Vorhaben. Am Tag, bevor die Gäste anreisten, war es mir nach langer Zeit wieder einmal möglich gewesen, die Sakristei aufzusuchen. Bérenger hatte fleißig mehrere
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