Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
auf ganz bestimmte Weise neu zusammengesetzt haben.“
„Tatsächlich?“ (Bérenger hatte mir nichts gesagt, was ich nicht schon wusste!) „Und wer, bitte schön, war König Dagobert? Ich denke, es handelt sich hier um die Schätze des Tempelritters Blanchefort?“
„Dagobert II. lebte um das Jahr 650, er war der letzte anerkannte Merowingerkönig. Als Kind war er von Grimoald, dem Hausmeier seines Vaters Sigibert III., um seinen Thron gebracht und nach Irland in ein Kloster geschickt worden. Jahre darauf wurde er auf Betreiben seiner Mutter vom Heiligen Wilfrid wieder zurückgebracht und in Metz zum König von Austrasien gekrönt. Er ehelichte Gisela von Razès, die Enkelin des Westgotenkönigs Tulcas. Sie war das Patenkind Wilfrids. Die Hochzeit der beiden fand in der Residenz der Gräfin von Razès statt, und die befand sich ... dreimal darfst du raten, Marie!“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Nun, sie befand sich hier bei uns, in Rhedae, der Stadt des Fuhrwerks, wie man Rennes-le-Château seinerzeit nannte. Und jetzt merke auf: Alte Schriften besagen, dass der Ort Rhedae Dagobert als Schatzkammer gedient haben soll. Diese Grotte und der Geheimgang wurden demzufolge schon Jahrhunderte vor dem Tempelritter Bertrand de Blanchefort benutzt. Die Schätze jedoch, die wir heute vor uns sehen, gehören jenem Dagobert natürlich nur symbolisch, weil sie sich eben zufällig in seiner Schatzkammer befinden - es sei denn, man denkt wirklich an eine jüdische Seitenlinie der Merowinger. Zion jedenfalls hätte allen Anspruch auf sie, denn sie stammen, wie ich dir schon erzählte, aus dem Tempel Salomons. Es ist Jerusalems verlorener Schatz!“
„Sagtest du nicht, dass dieser Pfeiler vom Hauptaltar, in dem die Pergamente steckten, westgotischen Ursprungs ist?“
„Ja, auf dem Pfeiler befindet sich eindeutig ein Westgotenkreuz. Nachdem die Westgoten von den Hunnen aus Mitteleuropa zurückgedrängt worden waren, umfasste ihr Reich Spanien und Südfrankreich. Rhedae, das im Jahr 412 erstmals erwähnt wurde, soll ihre nördliche Hauptstadt gewesen sein. Im Laufe der Jahrhunderte bauten sie ihre Stadt wohl zu einer mächtigen Festung aus. Sie war von Schutzwällen umgeben und von zwei gewaltigen Zitadellen bewacht und soll annähernd dreißigtausend Einwohner in ihren Mauern beherbergt haben.“
„Dreißigtausend? Nie im Leben! Dazu ist unser Berg viel zu klein!“ warf ich ein.
„Sicherlich haben sie die Menschen unten im Tal mitgezählt, Marie! Geschützt waren aber nur diejenigen, die sich hinter den dicken Mauern und Wällen befanden. Obendrein wurden alle Zufahrtswege streng bewacht, Kastelle und Türme in der Umgebung standen zu diesem Zweck untereinander in Verbindung. Man hat sich mit Geheimzeichen verständigt.“
„Und wie ging es mit dem Merowingerkönig Dagobert weiter?“
„Er wurde ermordet, fünfundzwanzigjährig, auf der Jagd in den Ardennen mit einer Lanze erstochen. Mit Billigung der römischen Kirche, wie wir herausgefunden haben.“
„Aber weshalb hatte die Kirche ein Interesse an seinem Tod?“
„Er hatte sich den Unmut Roms zugezogen, weil er dem arianischen Glauben nahestand, dem seine Frau als westgotische Prinzessin von Geburt an anhing. Er war also in den Augen Roms ein Ketzer wie später die Katharer. Mehr brauche ich dir dazu nicht zu sagen. Über die Katharer weißt du ja bestens Bescheid!“
Bérenger zog eine bedeutungsvolle Grimasse. Dann fuhr er fort:
„Erinnerst du dich an die Entzifferung des ersten Pergamentes, das mit den blauen Äpfeln, auf dem unter anderem auch ´Friede 681` stand?“
Ich nickte.
„Nun, wir haben herausgefunden, dass im Jahr 681 ein gewisser Sigibert IV. hier aufgetaucht ist. Eine Urkunde aus dem Jahr 718 berichtet über die Stiftung eines in der Nähe von Rennes-le-Château gelegenen Klosters durch ´Sigibert, Graf von Rhedae, und seine Gemahlin Magdala`. Eine andere Quelle sagt, dass der Bischof von Straßburg, der Heilige Arbogast – er war der Erbauer des ersten Straßburger Doms –, ´den Sohn des Königs` durch ein Wunder vom Tode erweckt hat. Nach der Ermordung seines Vaters habe man das Kind in Sicherheit gebracht. Dieser Sigibert muss demzufolge ein Sohn Dagoberts gewesen sein! Sowohl von ihm, als auch später von seinen Sohn Sigibert V. sprach das Volk als von den ´Einsiedlerprinzen`. Seltsam, nicht wahr? Es könnte also durchaus sein, dass die beiden sich hier in dieser Grotte für längere Zeit aufgehalten haben.“
Zielstrebig
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