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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Haushälterinnen.
    Der Kultusminister war dagegen kein so angenehmer Zeitgenosse. Boudet, der ihn auch nicht leiden konnte, bescheinigte dem Politiker gar „fehlende intellektuelle Reife“. Der Minister war sehr schlank, ja fast hager. Stets den Zylinder in Reichweite, mit einem ellenlangen schwarzen, ziemlich abgestoßenen Rock und altmodischen, hochgeschnürten, kaum noch glänzenden Stiefeln, erinnerte er mich an eine Vogelscheuche. Sein stechender Blick und sein markanter, ein wenig störrischer Schnurrbart ergänzten diesen Eindruck. Der Ärmste litt obendrein unter fürchterlicher Flatulenz und konnte wohl mitunter auch das Wasser nicht mehr so recht halten. Kurzum, er stank wie ein alter Ackergaul. Man war gut beraten, in seiner Nähe vorsichtshalber die Luft anzuhalten. Die Haushälterin Saunières war Luft für ihn, das heißt, er sah durch mich hindurch. Sein Lieblingsthema war die üble Dreyfus-Affäre, über die er sich zu jeder Stunde – zum Leidwesen seiner Tischnachbarn auch mit vollen Backen - ausließ. Dabei beherrschte er die Kunst, zuerst seine eigene Meinung über die im Jahr zuvor verhängte lebenslängliche Verbannung des angeblichen Verräters lautstark zu vertreten und dann im Verlauf der Diskussion auch jeder anderen Meinung eifrig und fröhlich zuzustimmen. Was der Kultusminister mit Bérenger und Boudet zu tun hatte, habe ich nie herausgefunden. Nun, möglicherweise hatte auch er einen uralten Stammbaum aufzuweisen, vielleicht bis in die Reihen hunnischer Reitervölker.
    Am nächsten Morgen, als die Räusche ausgeschlafen waren, fuhren Monsieur G. und der Kultusminister gemeinsam in einer Kutsche nach Lyon, worum ich den Habsburger nicht beneidete; die anderen unternahmen eine Wanderung in die einsamen Wälder ringsum. Endlich waren sie unter sich und konnten ungestört über das Geheimnis von Rennes-le-Château reden. Das dachten sie wenigstens.

    Leider konnte ich die Erregung, die ich verspürte, als ich beim Saubermachen in Hoffets Zimmer eine eigenartige Entdeckung machte, mit niemandem teilen.
    Hoffet hatte offensichtlich in der Nacht etwas verbrannt, denn in seinem Kamin lag ein verkohltes Knäuel Papier. Das machte mich natürlich neugierig. Ich schickte Henriette, die mit dem Handfeger neben mir stand, unter einem Vorwand in die Küche und nahm dann vorsichtig das flache Holzscheit mitsamt dem darauf befindlichen geschwärzten Papier aus dem Kamin. Behutsam legte ich das Holz auf die Glasplatte des Spiegeltisches, um das Verbrannte näher in Augenschein zu nehmen. Zu meiner Überraschung war die Struktur des Papiers noch gut erhalten und die Wörter, die auf dem zuoberst liegenden Blatt gestanden hatten, waren zum größten Teil lesbar! Markante, fast ganz nach links fallende Buchstaben – Hoffets Schrift? - glänzten silbrigschwarz auf dem halbverkohlten, teilweise löchrigen Blatt. Ganz aufgeregt über meine Entdeckung, holte ich mir rasch Papier und Bleistift aus dem Sekretär, um zu notieren, was ich entziffern konnte:
    ARKADIEN
    ARCA = Brücke bog
    ARCA=
    (Geld-) Kast
    Lade
    Gefäng zel
    Sarg
    Arche
    Bundesla
    ???
    JESUS

    Jesus ...? Ein plötzlicher Windstoß – Henriette war zurückgekommen und hatte mit Schwung die Tür aufgestoßen – fegte das hauchdünne Gebilde vom Tisch, und noch in der Luft zerfiel es zu Asche. Geistesgegenwärtig warf ich eines der frischen Handtücher, die ich mitgebracht hatte, über Holz und Zettel. Henriette besah sich verdutzt die Bescherung auf dem Parkett. Doch dann lachte sie über mein Missgeschick und machte sich kopfschüttelnd daran, alles säuberlich aufzukehren. Ich raffte Handtuch, Holz und Notizzettel zusammen und verließ hinter ihrem Rücken schnell das Zimmer.
    Als ich allein war, holte ich den Zettel hervor, um ihn zu studieren.
    Arkadien? In Bérengers Aufzeichnungen hatte ich davon gelesen. Doch Arca? Darauf konnte ich mir keinen Reim machen. Die anderen Wörter waren teilweise unvollständig gewesen, aber ihre Bedeutung war klar. Dann am Ende drei Fragezeichen und in großen Buchstaben: „JESUS“!
    Zugegeben, Hoffet, der berühmte Dechiffrierungskünstler, war zugleich Priester. Dennoch schien er auf Bérenger keinen guten Einfluss zu haben. Zuerst diese verrückten Entwürfe für die Kirche, und nun? Was hatte Unser Herr plötzlich mit Särgen, Geldkästen oder Gefängniszellen zu tun? Da fielen schon eher die Bundeslade oder die Arche in seine Zuständigkeit. Trotzdem passte das alles nicht zusammen. Hatte Hoffet den

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