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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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kreuzt, während die Heilige Germaine Rosen aus ihrer Schürze regnen lässt.

    Die Jahre vergingen so schnell, dass ich heute – im November 1906 - intensiv nachdenken und auch nachrechnen muss, um einigermaßen rekonstruieren zu können, was geschah. Dass Bérenger eine befestigte Straße vom Tal hinauf ins Dorf und die große Zisterne auf eigene Kosten bauen und dazu Wasserleitungen in jedes einzelne Haus legen ließ, stopfte irgendwann auch die frömmsten Lästermäuler und ließ sie wieder hinter ihrem Priester stehen, wenn auch nicht unbedingt hinter mir. Hatten einige Leute zuvor gemutmaßt, dass Bérenger mit dem Teufel im Bunde wäre oder zumindest – neben der Theologie - mehrere Semester Alchimie studiert hätte, so sagten sie jetzt im Brustton der Überzeugung: „Unser Hochwürden hat einen Schatz gefunden, und er lässt das ganze Dorf an seinem Wohlstand teilhaben. Alle Achtung, Respekt!“
    Der bucklige Jean jedoch war von keiner dieser Wohltaten zu beeindrucken. Allemal ist es leichter Maulheld statt Held zu sein. Die Drohung, seiner toten Mutter alles zu erzählen, war längst verraucht. Einmal stellte er sich mir sogar beim Brombeerpflücken frech in den Weg und versuchte, meine Brust zu berühren. Ich gab ihm statt dessen einen kräftigen Schubs, so dass er unsanft in den stachligen Brombeeren landete. Da schrie dieser Irre, die Faust geballt, mir hinterher: „Jesus aus Galiläa ist nicht hier, Marie!“

22
    „Flieh weit aus dieser kranken Dünste Giften ...“
    Baudelaire , Aufschwung

    Bérenger war besessen. Tagsüber überwachte er die Bauarbeiten in der Kirche oder ging seinen seelsorgerlichen Pflichten nach. Am Abend und in der Nacht saß er meist über irgendwelchen Papieren. Akribisch prüfte er wieder und wieder die Dokumente, neue Hinweise oder Hypothesen, die jenen geheimnisvollen Ort betrafen, der sich nicht finden ließ.
    „Doch je mehr der Mensch sich müht zu suchen, desto weniger findet er. Und auch wenn der Weise meint: ´Ich weiß es`, so kann er`s doch nicht finden“, hatte Bérenger an einem Abend, beinahe entmutigt, den Prediger Salomo zitiert und sich dabei die müden Augen gerieben.
    Ich konnte seine Enttäuschung gut verstehen, denn mir ging der von Hoffet verbrannte Zettel auch nicht aus dem Sinn. Irgendwann hatte ich es nicht mehr ausgehalten und versucht, Bérenger danach auszuhorchen.
    „Was versteht man eigentlich unter Arkadien ?“
    Bérenger hatte erstaunt aufgeblickt, mir jedoch nach kurzem Zögern erklärt: „Arkadien liegt in Griechenland, Marie, ein Hochland der großen Halbinsel Peloponnes. Bereits in alter Zeit wurde es als ein Land der Einfachheit und Unschuld gepriesen. Ihm könnten sich die Katharer seelisch verbunden gefühlt haben, vor allem ihre parfaits , die sich selbst übrigens nicht als Perfekte bezeichnet haben! Ihr Leben war von Entbehrungen geprägt. Es entsprach ihrem Gesetz, dreimal im Jahr für jeweils sechs Wochen zu fasten. In der ersten und der letzten Woche durfte der parfait nur Wasser und Brot zu sich nehmen, in den anderen Wochen musste er wenigstens drei Tage in der Woche damit auskommen. Die Fastenzeiten waren ähnlich wie bei uns heute: vor Weihnachten, vor Ostern und vor Pfingsten. Fleisch und Fett waren den Priestern zu jeder Zeit strengstens untersagt, nur Brot, Gemüse und Früchte durften ohne Einschränkung verzehrt werden. Das Trinken von Wein war ihnen jedoch gestattet.“
    „Das kann ich gut verstehen! Ein Priester ohne Wein? Kaum vorstellbar ...“
    „Spotte nur, Marie!“ hatte Bérenger gemeint und ein wenig beleidigt getan. „Schon Hippokrates hat gesagt: ´Der Wein ist ein Ding, in wundersamer Weise für den Menschen geeignet, vorausgesetzt, dass er bei guter und schlechter Gesundheit sinnvoll und in rechtem Maße verwandt wird.` Die katharischen parfaits waren also kluge Leute. Die einfachen Gläubigen – man nannte sie credentes - aßen und tranken allerdings, wann und was sie wollten oder was der Beutel hergab. Denn man glaubte allgemein, dass Essen außerhalb der Fastenzeit eine genauso große Sünde wäre wie während der Fastenzeit, und tat sich daher keinen Zwang an. Erlösung fand man sowieso nur, wenn man im Körper eines Vollkommenen angelangt war, das consolamentum, also die Geistweihe, erhalten hatte.“
    „Wie kamen sie auf den Gedanken, dass Essen sündhaft sein könnte?“
    „Nun, ich habe dir bereits von den zwei Prinzipien erzählt, an die sie glaubten, das Gute und das Böse.“
    „Das

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