Marie + Leo = Liebe (German Edition)
können, immerhin war sie geübt darin. Sie
brauchte bloß eine kurze Pause.
„Grüß dich, Marie.“
Christina umarmte sie herzliche wie immer, aber irgendetwas stimmte nicht.
Sie war blass und ihre Augen gerötet.
„Hast du geweint?“, erkundigte Marie sich.
Christina zuckte mit den Schultern und wies mit dem Kopf zu Leos Zimmertür.
Hatte es Streit gegeben zwischen ihm und seiner Mutter?
Marie runzelte die Stirn. Die beiden stritten doch sonst nie.
Irgendetwas musste vorgefallen sein. Sie hatte versucht Leo anzurufen, doch
es war niemand nls Telefon gegangen. Da sie so
dringend wissen wollte, wie Leos Gespräch mit Alex gelaufen war, hatte sie sich
also gleich auf den Weg gemacht.
Vorsichtig klopfte sie. Keine Antwort.
„Leo?“
Er riss die Tür auf.
Marie erschrak. Leo sah furchtbar aus.
„Was ist passiert?“, fragte sie.
Leo wies auf sein Bett.
Mechanisch nahm sie Platz, dabei ließ sie Leo nicht aus den Augen, der sich
verkehrt herum auf seinen Schreibtischstuhl setzte, die Arme über der Lehne
verschränkte und das Kinn auf ihnen aufstütze.
Er atmete tief durch.
„Mama hat Krebs.“
Marie fühlte sich, als zog es ihr den Boden unter den Füßen weg. Das konnte
nicht wahr sein.
„Ist das denn überhaupt schon
sicher? Vielleicht hat der Arzt einen Fehler gemacht. Sowas kommt doch vor.
Oder, oder-Also, da kann man doch was machen! Chemotherapie! Genau. Mensch, das
ist bestimmt alles nur halb so schlimm. Sie ist sicher bald wieder ge -“
Beim Anblick von Leos Gesichtsausdruck verstummte sie. Er schüttelte den
Kopf.
„Der Krebs hat gestreut, sie hat Metastasen im ganzen Körper.“
„Aber-“
Maries Stimme versagte. Tränen stiegen ihr in die Augen. Christina war
immer wie eine zweite Mutter für sie gewesen.
Für sie war der Gedanke schon kaum zu ertragen, unvorstellbar, wie es Leo
da erst gehen musste.
„Der Arzt sagt, sie hat noch höchstens drei Monate zu leben.“
Marie schluchzte auf. Sie wollte Leo in den Arm nehmen, doch er wehrte sie
ab.
Sie war ihm nicht böse. Er war nicht sonderlich scharf auf körperliche Nähe
und konnte diese erst recht nicht ertragen, wenn es ihm nicht gutging.
Also legte sie sich aufs Bett und weinte in Leos Kissen. Nicht einmal sein
Geruch konnte sie heute trösten, dabei machte er doch sonst fast alles
erträglicher.
Leo saß regungslos da und beobachtete sie.
Was sollte denn jetzt werden, fragte Marie sich. Leo war gerade einmal achtzehn,
er ging noch zur Schule. Bis auf seine Mutter hatte er keine richtige Familie.
Die Verwandten, die es gab, hatten sich fein zurückgezogen, als das mit Leos
Vater passiert war.
Christina war schon zur Arbeit gegangen, als Marie wieder nach Hause ging.
„Dafür wird er bezahlen“, knurrte Leo beim Abschied.
Marie wusste genau, wen er meinte.
Leo hasste seinen Vater für alles, was er getan hatte.
Sie hatte schon geahnt, dass er ihm auch die Schuld an Christinas
Erkrankung geben würde.
„Alles okay?“
Marie schrak auf. Um ein Haar
hätte sie die Cola-Flasche in ihrer Hand fallen lassen. Sie fuhr sich durchs
Gesicht.
Leo sah trotzdem, dass sie
geweint hatte. Er legte ihr von hinten die Arme um die Taille und sie lehnte
sich an seine Brust.
„Lars ist echt ein Arschloch“, befand
er.
Lars? Was hatte Lars damit zu
tun?
Da erst verstand Marie. Leo
dachte, sie weinte wegen Lars.
Leo streichelte über ihre
Oberarme.
„Du hast etwas viel Besseres
verdient.“
Sie lächelte.
„Du bist lieb.“
Sie stellte sich auf die
Zehenspitzen und wollte ihm einen Kuss auf die Wange geben.
In diesem Moment drehte er den
Kopf leicht, sodass sie aus Versehen genau auf seinen Lippen landete.
Ihr erster Impuls war,
zurückzuzucken, aber Leo hielt sie fest. Seine Lippen waren warm und ganz
weich. Sie fühlten sich gut an.
Marie schlang ihre Arme um
seinen Nacken und drängte sich dicht an ihn.
Er fuhr mit seiner Zunge über
ihre Unterlippe.
Sie wollte gerade den Mund öffnen,
da hörte sie ein Räuspern.
Wie von der Tarantel gestochen
löste Leo sich von ihr, drückte sie sogar einen guten halben Meter von sich
weg. Kai lehnte im Türrahmen.
„Was willst du?“, fuhr Leo ihn an.
Kai grinste.
„Ich wollte mal gucken, wieso
ihr so lange braucht. Sorry, wollte nicht stören.“
„ Halt´s Maul!“, versetzte
Leo und rempelte ihn auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer an.
Jetzt war Marie allein mit Kai.
Seine Blicke bohrten sich in ihren Hinterkopf.
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