Marie + Leo = Liebe (German Edition)
der Nähe ansehen, stolperte aber auf dem
letzten Meter und fiel prompt mitten hinein. Über ihr krachte der Turm, an dem
Leo den ganzen Morgen gebaut hatte, in sich zusammen.
Tante Erna sah das alles aus einiger Distanz mit an und war bereit
einzuschreiten. Leos Reaktion verblüffte sie jedoch noch mehr als sein
großmütiges Angebot von vorhin. Jedem anderen Kind hätte er wohl gehörig die
Meinung gegeigt, wenn nicht gleich körperliche Erziehungsmaßnahmen angewandt.
Marie allerdings tröstete er erst und begann dann einen neuen Turm mit ihr zu
bauen.
Insgeheim hatte Leo sich auf
den Tag gefreut, an dem sie Tango abholen sollten. Aber nur ein ganz, ganz
kleines bisschen. Marie hatte er davon natürlich nichts erzählt.
Weil sie der Meinung war, dass
er sich von seinem letzten Einsatz erholen musste, fuhr sie. Das war aus zwei
Gründen absoluter Unsinn. Erstens hatte ihn der Einsatz überhaupt nicht
ermüdet, im Gegenteil. Er war kurz
gewesen, todlangweilig und nahezu unanständig unspektakulär verlaufen. Und
zweitens konnte Leo nicht entspannen, wenn Marie fuhr. Dass sie unfallfrei
gefahren war, seit sie ihren Führerschein hatte, hielt Leo für bemerkenswertes
Glück.
Leo hatte dem Tag von Tangos
Ankunft also mit nicht ganz so viel Unbehagen entgegengesehen, wie er es selbst
befürchtet hatte, wurde in seiner Euphorie aber schwer enttäuscht.
Marie hatte ihn vorab mit
Fachliteratur zum Thema „Augen auf beim Hundekauf“ ausgestattet, der er
fälschlicherweise entnommen hatte, dass alle Welpen grundsätzlich lebhaft und unternehmungslustig seien. Weit gefehlt,
musste er feststellen. Die korrekte Formulierung? „Alle Welpen bis auf Tango
sind lebhaft und unternehmungslustig.“
Ja, aber, werden Sie jetzt
einwenden, es ist doch vollkommen normal, dass so ein kleines Hundekind etwas
Zeit braucht, um sich einzugewöhnen. Ich muss mich da aber auf Leos Seite
stellen. Wenn ein Welpe, so klein, niedlich und irritiert er sein mag, die
ganze Fahrt durchschläft und auch in seinem neuen Zuhause nicht aufwacht, ist
es kein Wunder, wenn man sich fragt, ob mit diesem Tier denn wohl alles normal
ist.
Marie verbrachte den
Sonntagnachmittag damit, verzückt vor Tangos Körbchen zu sitzen und darauf zu
warten, dass etwas passierte. Es passierte – nichts. Tatsächlich überhaupt nichts .
Bis dann auf einmal – Achtung,
liebe Leser, jetzt wird´s spannend! – Tango die Augen aufschlug. Ha, dachte
Marie, jetzt geht´s los. Tango drehte sich um und schlief auf der Stelle wieder
ein.
Leo bestand darauf, gleich am
nächsten Morgen mit Tango, der am Vorabend noch seine gesamte Tagesration
Futter verspeist, mitten im Wohnzimmer einen riesigen Haufen gemacht und dann
bis morgens um neun durchgeschlafen hatte, zum Tierarzt zu gehen.
Dr. Hase ( nomen est omen ) untersuchte Tango
routiniert und amüsiert. Ein Welpe, der sich anstandslos untersuchen ließ und
dabei die Augenlider auf halb acht hängen hatte, kam
ihm nicht alle Tage unter.
„Ein robuster kleiner Kerl“,
verkündete er nach der Untersuchung und gab Tango einen kräftigen Klaps, was
diesen nicht weiter beeindruckte oder gar störte. Schließlich gab es hier beim
Tierarzt Hundeleberwurst, die er sogar noch gleich vors Gesicht gehalten bekam,
das heißt, er musste sich nicht einmal bewegen, um ans Futter zu kommen. Eine
sehr bequeme Angelegenheit, das.
„Und was hat er?“, hakte Leo
nach.
Er befürchtete, dass Dr. Hase
bloß nicht gleich mit der grausamen Wahrheit herausrücken wollte und deswegen
um den heißen Brei herumredete. Trotz seiner anfänglichen Aversion hing er an
Tango, hauptsächlich deshalb, weil Marie diesen bereits abgöttisch liebte. Wenn
Tango nun todkrank wäre, wäre Marie todunglücklich und das wollte Leo natürlich
vermeiden.
Dr. Hase sah von seinem
Computer auf, in dem er gerade Tangos widerstandsfähiges und unerschütterliches
Naturell vermerkte.
„Gar nichts.“
Leo musste sich verhört haben.
„Aber warum ist er denn so-
teilnahmslos?“, drückte er es mal vorsichtig aus.
Bei diesen Tierliebhabern
konnte man schließlich nie wissen.
„Och“, entgegnete Dr. Hase,
„der taut schon noch auf. Er muss sich eben erst an Sie gewöhnen.“
Das glaubte er selbst nicht.
„Ricky, geh mal ´n Stück zur Seite, ich lieg total im Schatten wegen deiner
Zeltplane“, motzte Leo im Halbschlaf.
Ricarda setzte zu einer Schimpftirade an, denn Leo hatte es geschafft,
ungefähr 73 Fehler in einem
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