Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben
strikte Anweisung, niemand Unbekanntes zu ihm zu lassen.«
»Gut.« Marilene war beruhigt. »Kaffee?«, fragte sie, stand auf und ging auf wackligen Beinen, ohne auf eine Antwort zu warten, in die kleine Teeküche hinter dem Empfangsbereich.
Hanna folgte ihr. »Ich begreife nicht, was Gerrit zum Ziel eines Anschlags gemacht haben soll«, sagte sie.
Marilene befüllte mechanisch die Kaffeemaschine und schaltete sie ein. Der Nebel in ihrem Hirn lichtete sich allein vom Duft, doch sie sprach erst, als beide mit einer Tasse zurück in ihr Büro gegangen waren und in den Sesseln saßen.
»Ich glaube, er hat sich verliebt in ein Mädchen, das ich vertrete«, hob sie an. »Deren beste Freundin ist kürzlich ermordet worden, und meine Vermutung ist, dass beides zusammenhängt. Irgendjemandem passt es nicht, wenn Antonia sich anderen zuwendet. Aber wie gesagt, das ist eine reine Vermutung. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, wie es so schön heißt, und Antonia kann nicht helfen, weil sie nach einem Selbstmordversuch in der Psychiatrie ist. Sie hat schwer was durchgemacht in letzter Zeit.«
»Ah, okay«, sagte Hanna und wirkte erleichtert. »Ich hatte schon befürchtet, dass er mit seinen Hacker-Fähigkeiten irgendwo angeeckt ist. Das wär nicht das erste Mal, auch wenn Gerrit glaubt, ich wüsste nichts davon.«
»Tatsache?« Marilene gab sich entgeistert. »Und wie hast du das rausgefunden?«
»Betriebsgeheimnis. Ich weiß auch, dass er sein Studium hingeworfen hat.«
Wahrscheinlich hat sie das sogar vor Gerrit gewusst, dachte Marilene. Soldatin, von wegen. »Vorläufig«, sagte sie. »Er hat’s mir grad erst erzählt. Ich glaube, er braucht einfach ein bisschen Zeit, um sich darüber klar zu werden, was er wirklich machen möchte.«
»Und wo«, fügte Hanna hinzu. »Es fällt mir schwer, ihn ziehen zu lassen. Weißt du Genaueres?«
Geheimdienst, vermutete Marilene. »Nö«, behauptete sie, nicht willens, Gerrit zu verraten. Er war immerhin erwachsen und in der Lage, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.
»Stimmt«, sagte Hanna, als hätte Marilene laut gesprochen, »er ist alt genug, um sein eigenes Leben zu führen. Wenn er nur gesund wird, soll mir alles recht sein. Also, zur Sache: Wir können uns eine Wohnung mieten, damit du wieder deine Ruhe hast. Laut Arzt ist nicht absehbar, wie lange sich das Ganze hinzieht.«
»Quatsch«, sagte Marilene, »ich hab nun wirklich Platz genug, das ist überhaupt kein Problem.«
»Okay, dann danke erst mal. Zu dem Mann, der Gerrits Leben gerettet hat, wie Rebekka mir erzählt hat. Du kennst ihn gut?«
»Nicht besonders«, sagte Marilene. »Eine kurze Beziehung in grauer Vorzeit, an die ich mich kaum erinnern kann und die Olaf irgendwie wiederbeleben will. Warum fragst du?«
»Rebekka ist er unheimlich.« Hanna zuckte mit den Achseln. »Das muss nichts heißen, ihr sind die meisten Menschen unheimlich, aber manchmal hat sie einen guten Instinkt.«
»Gerrit hat ihn kennengelernt, er fand ihn ganz nett, hatte ich den Eindruck. Ich bin sowieso nicht interessiert«, wiegelte Marilene ab, »ich weiß bloß nicht so genau, wie ich ihm das klarmachen soll, er ist eher von der hartnäckigen Sorte, glaub ich. Obendrein hat er sich mit meinem Vater angefreundet, das macht’s noch etwas schwieriger. Aber auf jeden Fall werde ich ihm ewig dankbar sein, dass er den Hund abgestochen hat. Allein hätte ich Gerrit nicht retten können, das Vieh hat auf meine Schläge überhaupt nicht reagiert, und Olaf ist gerade noch rechtzeitig dazugekommen.«
»Wo ist der hergekommen?«
»Er war bei mir im Vorzimmer und hat darauf gewartet, mich sprechen zu können. Als ich rausgelaufen bin, hab ich ihn gar nicht wahrgenommen, erst später hab ich begriffen, wer den Hund getötet hat.«
»So war das also«, sagte Hanna, »und wie kommt wer darauf, dass es sich um einen gezielten Anschlag gehandelt hat?«
»Zum einen hatte der Hund keinen Chip«, erläuterte Marilene, »und zum anderen hat Gerrit, bevor er das Bewusstsein verloren hat, noch was sagen können, ich bin nur nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden habe. Es klang jedenfalls wie ›Fass gesagt‹.«
»Verstehe«, murmelte Hanna. »Noch was, was ich wissen sollte?«
»Glaub nicht.« Marilene war ratlos.
»Beabsichtigt die Polizei, Gerrit zu bewachen?«
»Das bezweifle ich«, sagte Marilene, »ist ja alles blanke Theorie bis jetzt.«
Hanna stellte ihre Tasse ab und stand auf. »Okay, ich muss jetzt los, Paula ablösen.
Weitere Kostenlose Bücher