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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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ursprünglich erfahren hab. Vielleicht gibt’s ja wirklich eine Aufnahme von ihm.« Sie stand auf. »Ich mach das sofort«, sagte sie, plötzlich erfasst von einer inneren Unruhe, die sie zur Eile drängte.
    »Gut«, stimmte Hanna zu, »ich leg mich aufs Ohr, weck mich, wenn es da ist.«
    * * *
    Die Tage und Nächte verschwammen allmählich. Außerdem begann sie, sich zu langweilen. Fast sehnte sie sich nach der Schule. Noch nicht ganz, aber bald. Eigentlich wollte sie nach Hause. Obwohl sie ihre Mutter im Gefängnis nicht besuchen durften, wäre sie lieber in der Nähe, nur falls jemand für sie eine Ausnahme machte oder sie sie endlich freiließen. Das musste sich ja mal aufklären, konnte nicht ewig dauern, bis sie herausfanden, was für ein Schwachsinn das war. Ihre Mutter eine Mörderin. Noch dazu von Christian. Im Leben nicht. Dieser Polizist mit dem komischen Namen war ihr eigentlich ganz in Ordnung vorgekommen, und jetzt das. Sie hatte die Nacht kaum geschlafen, weil sie sich vorstellte, wie schrecklich es für ihre Mutter sein musste, eingesperrt zu sein.
    Antonia kämpfte sich vom Sofa hoch und schaute hinaus. Das Grau kam ihr etwas heller vor, oder bildete sie sich das nur ein? Doch, doch, der Himmel war nicht mehr nur Watte, sondern Wolken zeichneten sich ab, Wolken, die sich bewegten, also kam Wind auf, und richtig, der Nebel schien sich zu lichten, die Schwaden schwebten hin und her, wie bei einem Schleiertanz. Sie wollte hier raus. Sie wollte wissen, ob sie so weit entfernt von allem war, wie sie sich fühlte. Die Fahrt hierher in der Kutsche hatte schon ganz schön lang gedauert, und Häuser hatte sie nach einer Weile überhaupt keine mehr gesehen. Nur wegen des Nebels?, überlegte sie, oder stand dies Haus wirklich mitten im Nirgendwo? Sie musste an Robinson Crusoe denken, schreckliche Vorstellung, aber der hatte wenigstens Freitag gehabt. Sie hatte nur Frank, und das nur ab und zu.
    Gestern Abend, nachdem sie hinauf in ihr Zimmer gegangen war, hatte er sie mit einer heißen Schokolade überrascht. Er hatte sich in den Sessel neben ihrem Bett gesetzt und gewartet, bis sie sie getrunken hatte. Wie früher ihre Mutter, das heilt alles, hatte sie immer behauptet. Sie wusste seine Geste umso mehr zu schätzen, da er selbst so traurig gewirkt hatte. »Sie kommt schon wieder raus«, hatte sie gesagt, um ihn aufzumuntern.
    Er hatte nur genickt und das Buch auf ihrem Nachttisch betrachtet. »Wie kommt’s, dass du so gern liest?«, hatte er gefragt.
    »Du meinst, weil das Vorbild gefehlt hat? Ich hab Mama immer vorgelesen, und es hat mir Spaß gemacht«, hatte sie geantwortet und hätte sich im selben Moment auf die Zunge beißen mögen. Er hatte überhaupt noch nichts davon gewusst, dass ihre Mutter nicht lesen konnte. Sie hatte angenommen, dass sie es ihm erzählt hatte, nun, da eh schon so viele davon wussten, doch das war nicht der Fall, wie sie an seiner Miene erkannt hatte. Es wäre ihr echt lieber gewesen, wenn sie das selbst gemacht hätte. So aber hatte sie ihre Mutter ein zweites Mal verraten. Das erste Mal konnte sie sich verzeihen, aber dieses nicht. Wenigstens hatte Frank nicht weiter drauf reagiert, sondern einfach ihr Zimmer verlassen. Irgendwann war sie dann tatsächlich eingeschlafen und hatte heute Morgen glatt verschlafen.
    Verschlafen, wie er sie wieder eingesperrt hatte. Zu blöd, dass sie vor lauter Aufregung wegen ihrer Mutter vergessen hatte, ihn noch mal auf den Schlüssel anzusprechen. Sie fragte sich echt, was das sollte. Das galt auch für das komische Kleid, das in ihrem Zimmer am Schrank hing. Als sie aufgewacht war, hatte sie es sofort bemerkt. Es war irgendwas zwischen blau und grün, in sich gemustert und lang und weit, mit viel zu viel Ausschnitt. In der Küche hatte ein Zettel gelegen, ziehst du das heut Abend für mich an? Pah, hatte sie gedacht, sie trug keine Kleider, schon gar nicht solche.
    Sie hielt dieses Rumhängen echt nicht mehr aus. Entweder sie warf jetzt eins der Fenster ein und sah zu, wie sie nach Hause kam. Oh, aber sie traute sich nicht. Oder sie versuchte, irgendwie in das verschlossene Zimmer zu gelangen. Und zwar so, dass Frank nichts bemerkte, denn gefallen würde es ihm nicht, wenn sie in den Sachen seines Freundes herumstöberte, das ahnte sie.
    Also, sie richtete sich gerade auf, wo würde man einen Zimmerschlüssel verstecken, den bei sich zu tragen viel zu unpraktisch war. Sicher nicht am logischsten Platz, nämlich auf dem Rahmen der Tür.

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