Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben
dir.«
Eine Domina hatte er sich anders vorgestellt. Falsche Richtung, rief er seine irrenden Gedanken zur Ordnung und beeilte sich, Judiths Aufforderung nachzukommen, bevor sie womöglich bemerkte, wie sich etwas regte, was hier vollkommen fehl am Platze war.
»Seitenlage bitte«, sagte Judith.
Bauch wäre besser, wenn auch sicher nicht leichter. Er drehte sich mühsam von ihr weg und hoffte, dass sie nichts von seinem inneren wie äußeren Aufruhr mitbekommen hatte. Entwürdigend, dachte er, und es kam noch schlimmer.
Sie schob seine Schlafanzughose tiefer und tastete seinen Rücken ab, sanft zunächst, doch dann presste sie die Finger mit brachialer Gewalt in genau die schmerzenden Stellen. Jedes Stöhnen seinerseits beantwortete sie mit einem begeisterten »Ja!«, und er konnte nur hoffen, dass Enno nicht draußen lauschte. Der Gedanke trieb ihm schon wieder die Röte ins Gesicht. Und anderswohin. Restlos abstrus wurde das Ganze, als sie sich seine Gliedmaßen irgendwie um den eigenen Körper wickelte, bis er nicht mehr wusste, was ihm, was ihr gehörte. Genauso stellte er sich Kamasutra vor, nur mit mehr Lustgewinn, jedenfalls seinerseits; Judith schien ganz zufrieden. Ein heftiger Ruck ging durch ihre Leiber, und er schrie auf.
»Hat das wehgetan?«, fragte sie unschuldig.
»Eigentlich nicht«, musste er zugeben, »es war wohl mehr der Schreck.«
»Na prima, dann steh auf.«
»Wie – aufstehen?« Er wusste, er hörte sich bescheuert an.
»Na ja, möglichst rückenfreundlich …« Sie hüpfte beherzt neben ihn auf die Matte und zeigte ihm, was sie meinte.
Es funktionierte. »Wow.« Er konnte kaum glauben, dass der Schmerz so gut wie verschwunden war. »Danke vielmals.«
»Jederzeit.« Sie musterte ihn mit schräg geneigtem Kopf, als rechnete sie angesichts seines hohen Alters häufiger mit einem Einsatz. »Wie hast du das angestellt?«, fragte sie.
»Verhoben«, murmelte er.
»Blödkopp!«, schimpfte sie. »Warum schaffen es Männer nicht, um Hilfe zu bitten?«
An sich eine gute Frage, fand er und schwieg, bevor er sich noch verplapperte. Außerdem wollte er, dass sie jetzt ging, damit er einen Rest von Würde wahren konnte, denn nicht nur sein Rücken frohlockte.
»Enno wartet drüben auf dich, soll ich dir sagen. Du hast wohl geglaubt, du kommst mit dem Hexenschuss doch noch zu deinem Wochenende. Seine Worte, nicht meine.« Sie bückte sich, um die Matte zusammenzurollen, und als sie sich wieder aufrichtete, warf sie ihm einen, wie er schwören könnte, anzüglichen Blick zu. »Also bis später.« Sie winkte kurz und verließ sein Schlafzimmer.
Er schaute ihr nicht hinterher, sah ganz sicher nicht, wie sie ihr Haar zurückwarf, wie ihre Hüften mit jedem sanften Schwung darum ersuchten, berührt zu werden. Er fühlte sich jung und frei, jung genug und frei, schränkte er ein, und sie war sehr jung und eben nicht frei. Das ging gar nicht.
Er brauchte eine Frau, der Notstand war allzu offenkundig, aber woher nehmen? Ein altes Dilemma; das Intermezzo mit Patrizia hatte nur kurzzeitig Abhilfe geschaffen, und er sah sich wieder in dieser unsäglichen Partnervermittlungsagentur sitzen, damals, als sie im Falle einer verschwundenen Thailänderin ermittelt hatten. Noch heute bekam er die Krätze, wenn er nur daran dachte. Kontaktanzeigen fand er ebenso würdelos. Aber irgendetwas musste er unternehmen, sonst würde er hier ausziehen müssen, und zwar bald.
Fünfzehn Minuten später klingelte er im Haupthaus.
»Na endlich! Das dauert ja länger als bei meiner arthritischen Mutter«, lästerte Lübben.
»Wenn du jetzt noch sagst, dass ich so alt aussehe wie sie«, entgegnete Zinkel, »krieg ich mildernde Umstände, egal, wofür.«
Lübben lachte laut auf. Es klang bellend, fand Zinkel, und hörte sich fast an wie das Gelächter von Jens, der konnte auch so losplatzen, wenn man gerade so gar nicht damit rechnete, weil man den Witz nicht sah, sondern derselbe war.
»Ich fahre«, bestimmte Lübben und öffnete ihm mit ausladender Verbeugung die Wagentür.
»Wohin überhaupt?«, fragte Zinkel und hüpfte regelrecht ins Auto. Er wartete vergeblich auf Beifall.
»Na ins Büro, wohin sonst? Ich hoffe auf erste Ergebnisse aus der Rechtsmedizin, und dann müssen wir die Vermisstenmeldungen durchackern.«
Warum die Hektik?, fragte sich Zinkel, ihr Opfer war vermutlich seit Jahren tot, und dessen Angehörige hatten sicherlich schon lange alle Hoffnung begraben. Und vielleicht nicht nur die. Hinter
Weitere Kostenlose Bücher