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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Menschen, oder besser gesagt: wovon?«
    »Die grünen Männchen?« Gerrit schaute sie an, als wäre sie ein Fall für die Geschlossene.
    »Kindskopf«, schalt Marilene ihn, »Analphabeten.«
    »Ach so.« Er gab sich überaus erleichtert. »Mehr als die Hälfte von ihnen arbeitet. In Berufen, die wenig bis kein Lesen oder Schreiben erfordern. Und dann kommen wieder diese Ausweichstrategien ins Spiel. Ein Bericht ist zu schreiben? Ach, mach du mal, ich räum dafür auf, dann sind wir schneller fertig. So in der Art. Verträge werden unter einem Vorwand mit nach Hause genommen, damit man sie in Ruhe unterschreiben kann. Natürlich gibt es auch Helfer, enge Vertraute, Familienmitglieder, manche sind eingeweiht, andere ahnungslos.«
    »Ich glaube, ich würde nicht wollen, dass beispielsweise mein Mann davon wüsste«, überlegte Marilene. »Mag ja sein, dass er mir gern hilft, aber das verleiht ihm doch auch eine unglaubliche Macht über mich.«
    »Du hast recht«, stimmte Gerrit zu, »daran hab ich gar nicht gedacht. Die Abhängigkeit ist kolossal.«
    »Sie bedient auch den heimlichen Wunschtraum mancher Männer«, fügte Marilene hinzu. »Was Dummes fürs Bett. Die würden sicher nicht darauf drängen, dass ihre Frau Lesen lernt und dadurch selbstständig wird.«
    »Lass die Emanzen-Keule stecken«, bat Gerrit, »ich glaub, das ist heute etwas anders. Auf jeden Fall sollte man Analphabetismus nicht mit Dummheit gleichsetzen. Sie sind nicht dümmer als der Rest der Bevölkerung. Im Gegenteil vielleicht sogar. Sie sind enorm kreativ bei der Entwicklung ihrer Strategien, sie brauchen ein richtig gutes Gedächtnis, damit sie nicht auffliegen. Ich stell mir das so ähnlich vor wie bei Blinden, deren Gehör so viel besser ist als das der Sehenden. Ihr System ist derartig ausgeklügelt, dass sie zumeist damit durchkommen. Und wenn tatsächlich jemand dahinterkommt, traut er sich meist nicht, den Betreffenden darauf anzusprechen und auf Hilfsangebote hinzuweisen.«
    »Wie Antonia, die ihre Mutter nicht bloßstellen wollte.«
    »Bei der kann man wahrscheinlich davon ausgehen, dass dieser Klinikaufenthalt die Ursache war. Ich wüsste schon gern, warum sie dort war, beziehungsweise um was für eine Art Klinik es sich gehandelt hat.«
    »Die Geheimniskrämerei jedenfalls liegt in der Familie. Apropos Familie. Ich treffe heut Abend meinen Vater zum Essen. Magst du mitkommen?«
    »Wird aber auch Zeit, dass du mich ihm vorstellst. Ich dachte schon, ich wär dir peinlich. Wegen des Altersunterschieds, meine ich.«
    »Benimm dich, sonst zieh ich die Einladung zurück«, drohte Marilene.
    »Einladung?« Gerrit reckte den Hals. »Definiere Benehmen.«

8
    »Kriminalpolizei. Wir möchten zu Jenny Degener«, sagte Lübben.
    Die Person am anderen Ende der Sprechanlage holte hörbar tief Luft und legte auf.
    »Hoffentlich ist sie nicht vor Schreck in Ohnmacht gefallen«, feixte Lübben.
    »Unwahrscheinlich«, sagte Zinkel, »das hatte ich heute schon.«
    »Das hast du gar nicht erwähnt?«
    »Es war nur kurz, und ich wollte Antonias Mutter nicht zusätzlich beunruhigen.«
    »Als wenn’s darauf noch angekommen wäre«, entgegnete Lübben. »Sie hat die Hände gerungen, dass ich schon gefürchtet hab, sie legt die Knochen frei.«
    »Kein Wunder bei dem Auftrieb.«
    »Kein Wunder bei dem Ergebnis. Jede Wette, dass es sich um Körbers Blut handelt.«
    »Aber zu merkwürdig verteilt, um daraus auf eine Straftat zu schließen«, wandte Zinkel ein.
    »Bis jetzt hat sie keine Erklärung für die Spuren geliefert, also was willst du?«
    Was anderes, dachte Zinkel, doch wann richtete sich das Schicksal schon nach seinen Wünschen. Das Summen des Öffners enthob ihn einer Antwort, und er drückte gegen das Tor. Schweigend liefen sie die anthrazitfarben gepflasterte Auffahrt zum Haus entlang, verfolgt vom wachsamen Auge einer Kamera.
    Der Garten war ein Traum, fand Zinkel, mehr als gepflegt, sogar nach hiesigen Maßstäben, und so weitläufig, dass sich ein Aufsitzmäher lohnte. Wege durchkreuzten mit Schwung den Rasen, streiften bereits winterfeste Rabatten und führten zu baumschattigen Oasen, Schaukel und Grillecke, zu einer Sonnenterrasse, die, nun bar jeglicher Möbel, anmutete wie ein klein geratener Hubschrauber-Landeplatz. Sogar einen Teich samt Brücke gab es, und ganz hinten lugte ein Gewächshaus aus dem Nebel. Im Sommer musste die Pracht schier überwältigend sein.
    Das Haus hingegen gefiel ihm nicht. Scharfkantig ausladend hockte es in der

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