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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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alles wurscht, die Brüder sind voll die Asis, denen will man im Dunkeln nicht begegnen. Und wie sie rumgelaufen ist, ihre Klamotten hat sie bestenfalls aus dem sozialen Kaufhaus. Wenn du keine Kohle hast, hast du keine anständigen Klamotten. Und wenn du keine anständigen Klamotten hast, bist du nichts. Echt gar nichts«, bekräftigte sie und streckte die vorpubertäre Brust raus.
    »Wir sind natürlich nicht hier, um mit dir über kindische Vorurteile zu diskutieren«, warf Zinkel ein, bevor Lübben noch in die Falle tappte.
    »Warum nicht? Ist doch interessant.«
    Zinkel atmete tief durch. »Viel interessanter finde ich, warum du nicht fragst, wie Kathrin ums Leben gekommen ist«, entgegnete er.
    »Das war leicht. Wenn’s Selbstmord gewesen wäre, wären Sie wohl nicht hier. Es hätte mich auch gewundert, wenn sie dazu den Mumm aufgebracht hätte.«
    »So wie du?«, fragte Lübben unschuldig.
    »Hä? Hab ich vielleicht einen Grund? Sehen Sie da was, was ich nicht sehe?«
    »Ein Mädchen, das sich zu Tode hungert?«, schlug Lübben vor.
    »Schwachsinn! Ich achte auf meine Figur, nicht wie Kathrin, die hat sich doch voll gehen lassen. Richtig fett war die.«
    »Fett genug, um sie zum Gespött der Klasse zu machen, ja?«
    »Der Schule«, stellte Jenny richtig. »Mit der hat sich niemand mehr abgegeben.«
    »Außer Antonia«, sagte Zinkel.
    »Niemand, der zählt«, ergänzte Jenny und schaute unter halb geschlossenen Lidern zu ihm auf.
    Zinkel kam es vor, als lauerte sie auf Zurechtweisung, und es fiel ihm schwer, dem nicht zu entsprechen. Hier hatten andere versagt, und zwar gründlich. Er atmete tief durch, bevor er weitersprach: »Wie bist du an dein blaues Auge gekommen?«
    »Das hat Antonia mir verpasst. Und es wäre verdammt besser für sie, wenn sie’s endlich zugibt. Ich hab jede Menge Zeugen.«
    »Tatsächlich. Lass hören.« Zinkel zückte Notizbuch und Stift und wartete.
    »Praktisch der ganze Kurs«, behauptete Jenny.
    »Ja«, stimmte Lübben zu, »das ist wirklich sehr praktisch. Und was ist, wenn ihr’s nicht schafft, dass sie von der Schule fliegt? Löst ihr das Problem dann so wie bei Kathrin?«
    »Klar. Wenn Sie mir verraten, wie das war.«
    »Ihr habt mindestens dazu beigetragen, dass sie sich umbringen wollte.«
    »Echt? Ich denke, das hat ihr Bruder uns abgenommen. Der ältere von den beiden. Außerdem sagten Sie doch, dass es eben kein Selbstmord war.« Sie legte sich eine Hand auf die Brust, dorthin, wo das Herz sein sollte. »Nicht schuldig, Euer Ehren.«
    »Weißt du, was ich glaube?« Lübben verschränkte die Arme zu einem Bollwerk. »Ihr habt sie ganz bewusst fertiggemacht. Ihr habt sie beobachtet, ob die Saat aufgeht. Aber dann hat sie es sich doch noch anders überlegt. Das konntet ihr nicht zulassen, nicht wahr?«
    »Scheiße, Sie spinnen ja total!« Jenny sprang auf und ballte die Fäuste. »Das ist doch – krank ist das! Mein Vater wird sich über Sie beschweren, warten Sie’s nur ab.«
    »Ich kann’s kaum erwarten«, sagte Lübben, »und im Übrigen bin ich sehr gespannt, ob deine Mitschüler alle dichthalten oder nicht doch irgendjemand so was wie ein Gewissen hat.« Er wandte sich um, stürmte aus dem Zimmer und polterte die Stufen hinab.
    Zinkel kratzte sich hinterm Ohr. »Denk noch mal drüber nach«, empfahl er, »ein wenig Kooperation wäre sicher besser.«
    »Für wen?«, blaffte sie. Ihr Blick streifte suchend durch den Raum, blieb schließlich an einer kniehohen Vase hängen, die neben dem Fernseher stand.
    »Leben lassen«, bat er, »sie kann nichts dafür.«
    Seine Worte stießen auf stocktaube Ohren. Jenny stürzte sich auf das Objekt ihres umgeleiteten Zorns, schnappte sich mit beiden Händen die Vase und donnerte sie auf den Boden. Zinkel schloss die Augen, hörte einen dumpfen Ton, ein Gong, dachte er, der Ruf zu Tisch, und öffnete sie wieder. Die Vase trudelte wie ein dickbauchiger Kreisel über den Teppich, vollkommen unbeschädigt.
    »Arrh!«, knurrte Jenny, reckte die Fäuste zur Decke und trat noch einmal nach.
    Zinkel trat bereits den Rückzug an, da ließ sie sich zu Boden fallen, einer Marionette gleich, deren Fäden gekappt worden waren, rollte sich zusammen und schlang die Arme um die Knie, sodass ihre Schulterblätter hervorstachen wie Flügelchen. Ihr T-Shirt rutschte hoch. Der Streifen nackter Haut, der sichtbar wurde, war übersät von blauen Flecken.
    * * *
    Es passte ihm überhaupt nicht, dass der Junge sie begleitete. Trotzdem wollte er die

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