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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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unserer neuentdeckten, arschkriecherischen Multikulti-Toleranz sehe. Eine schuldbeladene Stadt, die die Sünden der Vergangenheit wiedergutzumachen versucht, indem sie eine sagenhafte, unerschöpfliche Toleranz gegenüber allen und allem zur Schau trägt – das ist schließlich auch ein Signal. Es ist praktisch eine Einladung, herzukommen und die Probe aufs Exempel zu machen.«
    Womit er bei seinem Lieblingsthema angelangt war, dem Thema, auf das sie alle warteten, der Mission, um derentwillen sie aus Berlin oder München abgezogen und in eine halbzerfallene SS-Stallung in Hamburg beordert worden waren. Er wetterte gegen die himmelschreiende Unfähigkeit der westlichen Nachrichtendienste – und allen voran der deutschen Nachrichtendienste –, auch nur eine einzige brauchbare Quelle für den Kampf gegen den Islamismus zu erschließen.
    »Meint ihr, nach dem elften September wäre alles anders geworden?« fragte er voller Wut – Wut auf sie? auf sich selbst? »Meint ihr, diese Kostprobe globalen Terrors hätte unsere sauberen Geheimdienstler so aufgerüttelt, daß sie sich auf der Stelle ihre Palästinensertücher umgebunden hätten und aufgebrochen wären, um sich in den Suqs von Aden und Mogadischu und Kairo und Bagdad und Kandahar ein paar Auskünfte darüber zu kaufen, wo und wann die nächste Bombe hochgeht und wer aufs Knöpfchen drückt? Gut, wer kennt nicht den blöden Spruch: Einen Araber kannst du nicht kaufen, nur mieten? Wir konnten nicht mal einen mieten, verdammt! Mit ein paar rühmlichen Ausnahmen, mit denen ich euch hier nicht langweilen will, waren die Quellen, die wir damals hatten, ein Griff ins Klo. Und daran hat sich bis jetzt nichts geändert.
    Klar, wir hatten jede Menge wackere deutsche Journalisten und Geschäftsleute und Entwicklungshelfer auf unserer Gehaltsliste stehen. Ein paar waren sogar keine Deutschen und fanden es prima, uns gegen ein steuerfreies zweites Einkommen ihren Schrott andrehen zu können. Aber so was sind keine echten Quellen. Keine käuflichen, desillusionierten radikalen Imame, keine islamistischen Jugendlichen mit einer Hand schon am Sprengstoffgürtel. Es sind nicht bin Ladens Schläfer oder seine Talentschnüffler oder seine Kuriere oder seine Quartiermeister oder Zahlmeister, nicht mal um fünfzig Ecken. Es sind einfach nur nette Essensgäste.«
    Er wartete, bis das Gekicher abgeklungen war.
    »Und als uns aufging, was wir in Wahrheit brauchten, da konnten wir es nicht finden.«
    Wir, vermerkten sie bei sich. Wir in Beirut. Wir in Mogadischu und Aden. Der Bachmannsche Pluralis majestatis. Bachmann hatte Quellen gefunden, echte Quellen, ergiebige Quellen, jeder im Nachrichtendienst wußte das. Gekauft oder gemietet, wer fragte danach? Aber vielleicht hatte er sie auch wieder verloren. Oder er mußte sie aus Sicherheitsgründen verleugnen.
    »Wir dachten, wir könnten sie auf unsere Seite locken. Wir dachten, unsere netten Gesichter und dicken Brieftaschen wären Anreiz genug. Diese vielen Nächte, die wir auf stockfinsteren Parkplätzen auf irgendwelche hochkarätigen Überläufer gewartet haben, die zu uns auf den Rücksitz schlüpfen und einen Deal mit uns machen sollten. Es kam kein einziger. Dieser ganze Funkverkehr, den wir abgehört haben, um ihre Codes zu knacken. Sie hatten keine Codes. Wieso nicht? Weil wir uns nicht mehr im Kalten Krieg befanden. Weil wir statt dessen gegen Ableger einer Nation kämpften, die Islam heißt und die eine Bevölkerung von anderthalb Milliarden und eine entsprechend passive Infrastruktur hat. Wir dachten, wir könnten einfach weitermachen wie zuvor, und wir lagen grandios daneben.«
    Sein Zorn legte sich etwas, er gönnte sich eine Abschweifung. »Hört zu. Ich war dabei«, vertraute er ihnen an. »Bevor ich auf die Araber angesetzt wurde, habe ich mit den Sowjets Spielchen gespielt. Ich habe Leute gekauft und verkauft. Ich habe Agenten umgedreht und noch mal umgedreht, bis ich fast selber einen Drehwurm hatte. Aber dafür hat mir keiner den Kopf abgesägt. Keiner hat meine Frau und meine Kinder in die Luft gesprengt, während sie in Bali am Strand lagen oder in Madrid oder London im Zug saßen und zur Schule fuhren. Die Spielregeln haben sich geändert seit damals. Nur sind wir blöderweise immer noch die alten«, schloß er abrupt und stiefelte davon in einen anderen Teil des Heubodens, um einen neuerlichen Taktwechsel anzukündigen.
    »Und selbst nach dem elften September war unser geliebtes Vaterland – pardon, unsere

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