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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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und Wärter bestochen hat. Es war Anatolij, der mir das Empfehlungsschreiben für Ihre werte Person gegeben hat. Anatolij ist ein weiser und pragmatischer Berater, der sich bestens darauf versteht, mit korrupten Gefängnisbeamten Geschäfte zu machen, ohne ihre Redlichkeit anzuzweifeln.«
    »Ein Empfehlungsschreiben?« wiederholte Brue. »Mir hat niemand ein solches Schreiben gezeigt.« Er sah Annabel an, aber sie konnte genauso ausdruckslos dreinschauen wie er. Mindestens.
    »Es ist ein Mafia-Brief, mein Herr. Verfaßt vom Mafia-Anwalt Anatolij, betreffend den Tod des Mörders und Vergewaltigers Grigorij Borisowitsch Karpow, ehemals Oberst der Roten Armee.«
    »An wen?«
    »An mich, mein Herr.«
    »Haben Sie ihn bei sich?«
    »Ich trage ihn stets am Herzen.« Er legte das Armband wieder an, kramte aus den Tiefen des schwarzen Mantels erneut den Lederbeutel hervor und reichte Brue ein zerknittertes Schreiben. Ein gedruckter Briefkopf in kyrillischer Schrift nannte Namen und Adresse einer Anwaltskanzlei in Moskau. Der auf russisch verfaßte Text war mit der Maschine geschrieben und begann mit den Worten »Mein lieber Issa«. Er beklagte den traurigen Verlust von Issas Vater, der im Kreise seiner geliebten Waffenbrüder einem Schlaganfall erlegen sei. Man habe ihn mit militärischen Ehren bestattet. Kein Wort über einen Karpow, dafür die Namen »Tommy Brue« und »Brue Frères« in Fettschrift sowie das Wort LIPIZZANER, darunter, handschriftlich hinzugefügt, eine Zahlenfolge. Unterzeichnet Anatolij, kein Nachname.
    »Und was genau sollen meine Bank und ich für Sie tun können? Was hat dieser Herr Anatolij Ihnen erzählt?«
    Hinter der Milchglastür klapperte Leyla laut mit Tassen und Untertassen.
    »Daß Sie mich beschützen, mein Herr. Daß Sie mich unter Ihre Fittiche nehmen, wie Anatolij. Daß Sie ein guter und mächtiger Mann sind, ein Oligarch Ihrer schönen Stadt. Daß Sie mich an Ihrer Universität für ein Medizinstudium einschreiben. Daß ich mit Hilfe Ihrer großartigen Bank Arzt werden kann, um Gott und der Menschheit zu dienen, und daß ich ein geordnetes Leben führen werde, dank dem heiligen Eid, den Ihr verehrter Herr Vater dem Verbrecher und Mörder Karpow gegeben hat und der bei seinem Tode auf den Sohn übergegangen ist. Und Sie sind doch der Sohn Ihres Vaters?«
    Brue schmunzelte weltmännisch. »Anders als Sie bin ich tatsächlich der Sohn meines Vaters«, räumte er ein und erntete damit wieder so ein übertriebenes Strahlen von Issa, dessen gehetzter Blick gleich darauf für einen Moment zu Annabel hinüberhuschte, als hinge sein ganzes Wohl und Wehe von ihr ab.
    »Ihr Vater hat diesem Oberst Karpow viele schöne Versprechungen gemacht, mein Herr!« Die Worte brachen aus Issa heraus, und in seiner Angst und Aufregung sprang er abermals auf. Unter heftigem Grimassieren holte er Atem, um dann den schnarrenden, autokratischen Ton von Brues imaginärem Vater anzuschlagen: ›Grigorij, mein Freund! Wenn dein kleiner Iwan zu mir kommt – was, wie ich hoffe, erst in vielen Jahren der Fall sein wird –, wird ihn meine Bank wie ihr eigen Fleisch und Blut behandeln‹«, rief er, und er reckte die Schwurhand und krallte mit den Fingerspitzen seinen heiligen Eid in die Luft. »›Falls ich dann nicht mehr auf Erden wandle, wird mein Sohn Tommy deinem Iwan die Ehre erweisen, das gelobe ich dir. Ich gebe dir mein höchstfeierliches Versprechen, Grigorij, mein Freund, und das Versprechen des Herrn Lipizzaner.«‹ Sein Höhenflug kam trudelnd zum Ende. »So, mein Herr, lauteten die Worte Ihres verehrten Herrn Vaters, wie sie mir der Mafia-Anwalt Anatolij überliefert hat, der aus einer perversen Liebe zu meinem Vater in all meinem Unglück mein Retter war«, endete er mit brechender Stimme, keuchend.
    In der gespannten Stille, die nun folgte, fühlte sich Melik dazu berufen, seinem Herzen Luft zu machen:
    »Passen Sie bloß auf«, sagte er ruppig zu Brue. »Wenn Sie ihn triezen, kriegt er ’nen Koller.« Und für den Fall, daß es an dieser Warnung noch etwas zu deuten gab: »Packen Sie ihn nicht zu hart an, okay? Er ist mein Bruder.«
    * * *
    Als Brue schließlich wieder das Wort ergriff, richtete er es nicht an Issa, sondern an Annabel, in wohlüberlegter Beiläufigkeit und auf deutsch.
    »Und haben wir dieses feierliche Versprechen irgendwo in schriftlicher Form vorliegen, Frau Richter, oder wissen wir nur vom Hörensagen davon, aus den Einlassungen Ihres Mandanten über Herrn Anatolij?«
    »Das

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