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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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flehentlich klang. Aber an Hugos weiches Herz zu appellieren war der falsche Weg:
    »Tatsächlich? Da wäre ich mir nicht so sicher. Über welche angeblichen Symptome klagt er denn?« fragte er streng, im Medizinerton.
    Sie hatte sie sich aufgeschrieben. »Wahnvorstellungen. Eben denkt er noch, die Welt gehört ihm, und im nächsten Augenblick zittert er wie ein Mäuschen.«
    »Wie wir alle. Was ist er – Politiker?«
    Sie lachte laut, obwohl sie das ungute Gefühl hatte, daß er es nicht als Witz gemeint hatte.
    »Unberechenbare Wutausbrüche. Demütige Unterordnung, die von einer Sekunde auf die andere in größtes Selbstvertrauen umschlägt. Sagt dir das was? Ich bin kein Arzt, Hugo. Es ist noch viel schlimmer. Er braucht wirklich Hilfe. Sofort. Dringend. Aber absolut vertraulich. Gibt es keine Kliniken für solche Fälle? Irgendwas muß es doch geben.«
    »Seriöse? Nein. Ich kenne keine. Jedenfalls keine, die sich für deine Zwecke eignen würde. Ist er gefährlich?«
    »Wieso sollte er gefährlich sein?«
    »Deutet bei ihm irgend etwas auf Gewaltbereitschaft hin?«
    »Er hört Musik. Er sieht stundenlang aus dem Fenster. Er bastelt Papierflieger. Klingt das für dich gewalttätig?«
    »Wie hoch ist das Fenster?«
    »Hugo, hör auf!«
    »Sieht er dich merkwürdig an? Ich muß es wissen. Das ist eine ernstgemeinte Frage.«
    »Er sieht mich überhaupt nicht an. Er schaut weg. Die meiste Zeit schaut er nur weg.« Sie fing sich wieder. »Okay, dann wenigstens etwas halbwegs Seriöses. Wo man ihn aufnimmt, ihn im Auge behält und nicht zu viele Fragen stellt. Wo er durchatmen und ein bißchen zu sich kommen kann.«
    Sie redete zuviel.
    »Hat er Geld?« wollte Hugo wissen.
    »Ja. Jede Menge. Geld spielt keine Rolle.«
    »Woher?«
    »Von den ganzen reichen Ehefrauen, mit denen er schläft.«
    »Schmeißt er wild damit um sich? Kauft er Luxuslimousinen und Perlenketten?«
    »Er weiß eigentlich gar nicht, daß er überhaupt Geld hat«, antwortete sie, der Verzweiflung nah. »Aber er hat welches. Es geht ihm gut. Finanziell, meine ich. Das Geld wird für ihn verwaltet. Mensch, Hugo. Mußt du es mir so schwer machen?«
    »Er spricht nur Russisch?«
    »Ja, sag ich doch.«
    »Und du pennst mit ihm?«
    »Nein!«
    »Aber du hast es vor?«
    »Kannst du nicht bitte einmal vernünftig sein, Hugo?«
    »Ich bin vernünftig. Genau deswegen bist du doch sauer.«
    »Hör zu, ich muß ihn … er muß irgendwo unterkommen, und zwar schnell – spätestens in einer Woche oder so –, auch wenn es nicht das Gelbe vom Ei ist. Hauptsache, der Laden taugt einigermaßen was, und die Vertraulichkeit bleibt gewahrt. Nicht mal die Leute von Fluchthafen wissen, daß ich dich anrufe. So vertraulich ist die Sache.«
    »Wo bist du?«
    »In einer Telefonzelle. Mein Handy streikt.«
    »Jetzt ist Wochenende, falls du es noch nicht gemerkt hast.« Sie wartete. »Und am Montag habe ich den ganzen Tag Sitzung. Ruf mich Montagabend an, so gegen neun. Annabel?«
    »Ja?«
    »Nichts. Ich hör mich um. Und du meldest dich dann.«

7
    »Frau Elli«, begann Brue aufgeräumt.
    Der Ausflug nach Sylt und das Mittagessen in Bernhards Strandhaus waren verlaufen wie erwartet: die bewährte Mischung aus senilen Reichen und gelangweilter Jugend, Hummer, Champagner und einem Marsch über die Dünen, während dessen Brue wiederholt sein Handy befragt hatte in der – leider vergeblichen – Hoffnung, ihm könnte ein Anruf von Annabel Richter entgangen sein. Am Abend war wegen schlechten Wetters der Flugplatz geschlossen worden, so daß die Brues im Gästehaus nächtigen mußten, wodurch sich Bernhards Frau Hildegard, vom Kokain enthemmt, zu übertriebenen Entschuldigungen dafür bemüßigt gesehen hatte, daß sie Mitzi nicht die Schlafstatt anbieten konnte, die ihren Neigungen vielleicht eher entsprach. Eskalation hatte gedroht, war aber von Brue mit dem üblichen Geschick abgewendet worden. Am Sonntag hatte er dann sehr schlecht Golf gespielt, tausend Euro verloren und zur Strafe mit einem ältlichen Reeder Leberknödel essen und Obstler trinken müssen. Jetzt war es endlich Montag morgen, die Neun-Uhr-Besprechung mit den leitenden Angestellten war beendet, und Brue hatte Frau Ellenberger gebeten, sie möge doch so gut sein und ein Momentchen bleiben, ein Schachzug, den er das ganze Wochenende geplant hatte.
    »Es ist nur eine sehr kleine Bitte, mit der ich heute an Sie herantrete, Frau Elli«, hob er in betont gestelztem Englisch an.
    »Ob groß oder klein,

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