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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Kontoinhaber zu irgendeinem Zeitpunkt seine Investition erhöhte, erhöhte sich auch sein Anteil.«
    »Das klingt vernünftig.«
    »Oberst Karpow war einer der ersten Lipizzaner und der reichste. Ihr Vater hat ihn unser Gründungsmitglied genannt. In vier Jahren wurde seine Investition neunmal erhöht.«
    »Von Karpow?«
    »Durch Überweisungen auf sein Konto. Ob Karpow die Einzahlungen selbst vornahm oder ob andere sie für ihn durchführten, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Die Belege wurden vernichtet, sobald die Gutschrift wirksam war.«
    »Von Ihnen?«
    »Von Ihrem Vater.«
    »Waren irgendwelche Bareinzahlungen dabei? Banknoten in Koffern sozusagen? Ganz klassisch? Damals in Wien?«
    »Nicht in meinem Beisein.«
    »Und wenn Sie nicht dabei waren?«
    »Doch, vereinzelt wurden dem Konto auch Barbeträge gutgeschrieben.«
    »Von Karpow selbst eingezahlt?«
    »Ich nehme es an.«
    »Und auch von Dritten?«
    »Möglich.«
    »Wie zum Beispiel Anatolij?«
    »Die Zeichnungsberechtigten waren nicht verpflichtet, sich auszuweisen. Der Betrag wurde über den Tresen gereicht, die Kontonummer des Empfängers wurde angegeben, und die Quittung wurde auf den Namen ausgestellt, der vom Einzahler genannt worden war.«
    Noch eine Runde durch den Raum, während Brue über die Einsatzmöglichkeiten des Passivs nachsann.
    »Und können Sie ungefähr sagen, wann die letzte Zahlung auf Karpows Konto eingegangen ist?«
    »Wenn ich recht informiert bin, gehen immer noch Zahlungen ein, bis zum heutigen Tag.«
    »Buchstäblich bis zum heutigen Tag? Oder bis vor kurzem?«
    »Es ist nicht an mir, das zu wissen, Mr. Tommy.«
    Und anscheinend nicht an mir, danach zu fragen, dachte Brue. »Und der Wert des liechtensteinischen Fonds belief sich auf wieviel, grob geschätzt, als wir aus Wien weggegangen sind – vor den Ausschüttungen an die Anteilseigner, selbstredend?«
    »Als wir aus Wien weggegangen sind, gab es nur noch einen Anteilseigner, Mr. Tommy. Alles Geld in dem Fonds gehörte Oberst Karpow. Von den anderen war keiner mehr übrig.«
    »Tatsächlich? Wie das?«
    »Darüber bin ich nicht unterrichtet, Mr. Tommy. Soviel ich weiß, wurden die anderen Lipizzaner entweder von Karpow ausbezahlt oder sind aus anderen Gründen ausgeschieden.«
    »Oder möglicherweise ausgeschieden worden?«
    »Das ist alles, was ich dazu sagen kann, Mr. Tommy.«
    »Nennen Sie mir einen Schätzwert. Frei nach Gefühl«, drängte Brue.
    »Ich kann nicht für unseren Fondsmanager in Liechtenstein sprechen, Mr. Tommy. Das steht mir nicht zu.«
    »Es ist so, eine Frau Richter hat bei mir angerufen«, offenbarte Brue im Tonfall eines Mannes, der endlich mit der ganzen Wahrheit herausrückt. »Eine Anwältin. Sie haben ihre Nachricht ja wahrscheinlich gehört, als Sie die Ausbeute vom Wochenende durchgegangen sind.«
    »Allerdings, Mr. Tommy.«
    »Sie hatte ein paar Fragen an mich, zu einem … einem Mandanten von ihr … , der anscheinend mit uns zu tun hat. Dringende Fragen.«
    »Es klang ganz so, Mr. Tommy.«
    Sein Entschluß war gefaßt. Also gut. Sie stellte sich stur. Sie war in diesem gewissen Alter. Und wenn es um die Lipizzaner ging, war sie schon immer schwierig gewesen. Aber er würde sie zu seiner Verbündeten machen, ihr die ganze Geschichte erzählen, sie ins Boot holen. Wenn er Frau Elli nicht ins Vertrauen ziehen konnte, wen dann?
    »Frau Elli.«
    »Mr. Tommy.«
    »Ich fände es höchste Zeit, daß Sie und ich mal wieder einen richtig schönen Schwatz halten, von, na ja, Schuhen, Schiffen, Siegellack …«
    Lächelnd brach er ab, damit sie ihren geliebten Lewis Carroll zu Ende zitieren konnte, aber sie blieb stumm.
    »Deshalb schlage ich vor«, fuhr er fort, als käme ihm dieser grandiose Einfall jetzt erst, »Sie holen uns eine große Kanne von Ihrem köstlichen Wiener Kaffee und ein paar selbstgebackene Osterplätzchen von Ihrer Mutter und dazu zwei Tassen. Ach, und sagen Sie doch der Zentrale, ich bin in einer Besprechung und Sie auch.«
    Aber das Tête-à-tête nahm nicht den Verlauf, der Brue vorgeschwebt hatte. Frau Ellenberger kam zwar mit dem Kaffee wieder – obwohl sie dazu länger wegblieb, als ein Mann billigerweise erwarten konnte – und war wie stets die Höflichkeit in Person. Wenn Lächeln am Platze war, lächelte sie. Die Osterplätzchen ihrer Mutter schmeckten unvergleichlich. Doch kaum wagte Brue einen ersten Vorstoß, um ihr noch etwas mehr über Oberst Karpow zu entlocken, stand sie von ihrem Stuhl auf und gab, den

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