Marissa Blumenthal 01 - Virus
Schreibtisches entdeckte sie ein Branchenverzeichnis. Marissa schaute unter den Ärzten nach, fand Tiemans Anschrift und stellte dabei fest, daß er als Frauenarzt ausgewiesen war.
Nur um sich zu vergewissern, daß der Mann überhaupt in der Stadt war, wählte Marissa die Nummer der Praxis. Ein Anrufbeantworter teilte mit, die Praxis sei erst ab acht Uhr dreißig geöffnet. Bis dahin waren es noch gut zehn Minuten. Marissa kleidete sich an und wiederholte dann ihren Anruf. Diesmal meldete sich eine Mitarbeiterin, die ihr auf ihre entsprechende Frage antwortete, Dr. Tieman werde heute erst ab etwa drei Uhr erwartet. Wie immer an diesem Tag sei er vorher mit Operationen im Allgemeinkrankenhaus von San Francisco beschäftigt.
Marissa legte auf und überdachte, auf die Bay Bridge hinausblickend, diese neue Information. In mancher Hinsicht konnte es vielleicht sogar noch besser sein, Tieman im Krankenhaus zur Rede zu stellen statt in seiner Praxis. Bestimmt war es sicherer für den Fall, daß der Arzt irgendwelche Pläne hatte, sie persönlich auszuschalten.
Sie schaute sich kritisch im Spiegel an. Mit Ausnahme der Unterwäsche steckte sie nun seit zwei Tagen in derselben Kleidung, und es stand für sie fest, daß sie sich irgendwo etwas Neues kaufen müsse.
Sie hängte das Schild mit der Aufschrift »Bitte nicht stören« außen an die Tür, als sie ihr Zimmer verließ. Sie war hier erheblich weniger nervös als in New York, da sie überzeugt davon war, daß sie einen ordentlichen Vorsprung vor ihren Verfolgern hatte.
Die Lage des Krankenhauses war großartig, aber im Inneren präsentierte es sich wie jedes städtische Krankenhaus in einer wahllosen Mischung von alt und neu. Auch hier herrschte das für derartige Einrichtungen so typische Durcheinander und Gewühl. Ohne weiteres war es Marissa möglich, unbemerkt in den Ärzteumkleideraum zu gelangen.
Während sie sich nach einem passenden Ärztekittel umsah, trat eine Angestellte auf sie zu und fragte: »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich bin Dr. Blumenthal«, antwortete Marissa. »Ich bin gekommen, um einer Operation von Dr. Tieman beizuwohnen.«
»Kommen Sie, ich gebe Ihnen einen Spind«, sagte die Krankenhausangestellte ohne Zögern und händigte ihr einen Schlüssel aus.
Nachdem Marissa ärztliche Berufskleidung angelegt hatte, ging sie, den Spindschlüssel vorne am Kittel befestigt, in den Aufenthaltsraum der Chirurgen. Dort befanden sich an die zwanzig Leute, die Kaffee tranken, Zeitung lasen oder sich unterhielten.
Marissa ging ohne weiteren Aufenthalt durch den Raum direkt in die Abteilung mit den Operationssälen. Im Vorraum legte sie Schutzschuhe und Schutzhäubchen an und blieb dann vor der großen Anzeigetafel stehen. Tieman war dort für OP elf notiert; er mußte gerade mit seiner zweiten Unterleibsoperation beschäftigt sein.
»Ja bitte?« fragte die Krankenschwester hinter dem Empfangspult in jenem typischen strengen Ton einer mit einer verantwortungsvollen Aufgabe betrauten und sich dessen bewußten Frau.
»Ich bin gekommen, um einer Operation von Dr. Tieman beizuwohnen«, sagte Marissa.
»Gehen Sie nur hinein; OP elf«, sagte die Schwester, die sich bereits wieder mit etwas anderem beschäftigte.
»Vielen Dank«, antwortete Marissa und schritt den breiten Hauptgang hinunter. Die Operationsräume befanden sich auf beiden Seiten, zusammen mit Anästhesie- und anderen Nebenräumen.
Durch die ovalen Türfenster zum Gang waren behandschuhte, über ihre Patienten gebeugte Ärzte zu erkennen.
Marissa betrat den Ankleideraum zwischen OP elf und OP zwölf, legte dort einen Mundschutz an und ging forsch in den Operationssaal, in dem gerade Dr. Tieman an der Arbeit war.
Neben der Patientin traf sie auf fünf Personen. Der Narkosearzt saß neben dem Kopf der Patientin, auf jeder Seite des Operationstisches stand ein Chirurg, eine Hilfsschwester kauerte auf einem Schemel, und die OP-Schwester saß gerade in der Ecke und wartete auf Anweisungen. Als Marissa eintrat, stand sie auf und fragte Marissa, was sie wolle.
»Wie lange wird’s noch gehen?« fragte sie.
»Vielleicht eine Dreiviertelstunde«, meinte die Schwester mit einem Achselzucken. »Dr. Tieman arbeitet flott.«
»Wer ist Dr. Tieman?« fragte Marissa; die Schwester warf ihr einen befremdeten Blick zu.
»Der Herr auf der rechten Seite«, gab sie zurück. »Wer sind Sie denn?«
»Eine Kollegin aus Atlanta«, antwortete Marissa, ohne das näher zu erläutern. Sie ging um den Kopf
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