Marissa Blumenthal 02 - Trauma
am besten aus der Affäre ziehen könne. »Ist Mrs. Abrums schon eingetroffen?« fragte er.
»Ich glaube nicht«, sagte die Frau und überflog die Liste auf dem Klemmbrett vor ihr. »Nein, noch nicht.«
»Na, dann muß ich wohl warten«, sagte Paul und warf noch einen Blick in das Sicherheitsbüro hinter der Glasscheibe. Der Asiate und der uniformierte Wachmann waren jetzt von vorn zu sehen. Sie schienen über irgend etwas zu diskutieren, was sich unterhalb des Fensters befand.
Immer darauf bedacht, nicht aufzufallen, schlenderte Paul im Warteraum umher und tat so, als wäre er ungeduldig, indem er abwechselnd durch das Außenfenster und auf die Armbanduhr schaute.
Die Frau hatte sich wieder in ihr Buch vertieft. Nun wanderte Paul in den Flur, den vor ihm der Asiate betreten hatte. Ungefähr drei Meter weiter war die Tür zum Sicherheitsbüro. Sie stand offen. Am anderen Ende des Flurs erblickte Paul eine Trinkwasserfontäne, ging rasch darauf zu und trank etwas. Danach schlenderte er zum Warteraum zurück. Unterwegs blieb er einen Augenblick an der offenen Tür zum Sicherheitsbüro stehen.
Die beiden Männer standen immer noch am Fenster. Jetzt konnte Paul sehen, daß sie auf eine Reihe von Monitoren blickten, die unter dem Fensterbrett angebracht waren. Paul versuchte zu verstehen, was sie miteinander besprachen. Aber das erwies sich als unmöglich. Sie unterhielten sich in einer fremden Sprache, von der er annahm, sie sei chinesisch. Aber er war ja kein Experte. Noch etwas fiel ihm auf.
Der Wachmann war mit einer 357er Magnum bewaffnet. Für den Wachdienst in einem Krankenhaus ein ungewöhnliches Schießeisen. Einem früheren Polizeibeamten wie Paul kam das alles eigenartig vor, wirklich höchst eigenartig.
Wendy probierte die Feuertüren aus, die den Weg ins Hauptgebäude der Klinik versperrten. »Verflixt!« rief sie. »Auch abgeschlossen!« Sie hatten auf der glasüberzogenen Fußgängerbrücke die Straße überquert und glaubten sich schon am Ziel ihrer Wünsche, als sie auf dieses unüberwindliche Hindernis stießen.
»Das Haus ist ein zweites Fort Knox«, sagte Marissa. »Verdammt noch mal!«
»Jetzt fällt mir nichts mehr ein«, sagte Wendy. »Dir vielleicht?«
»Ich glaube, wir haben unser Pulver verschossen«, sagte Marissa.
»Jetzt müssen wir unser Glück tagsüber versuchen, wenn die Klinik geöffnet ist.«
Die beiden Frauen machten kehrt und huschten über die Fußgängerbrücke zurück. Sie wollten von der Straße aus nicht gesehen werden. Aber bevor sie bei der Krankenstation angelangt waren, blieb Wendy stehen.
»Warte mal eine Sekunde!« sagte sie. »Dies scheint die einzige Verbindung zwischen den beiden Gebäuden zu sein.«
»Na und?« sagte Marissa.
»Wo verlaufen dann die Wasserund Heizungsrohre und die Stromleitung?« fragte Wendy. »Sie können doch nicht für beide Gebäude eigene Anlagen gebaut haben. Das wäre zu unpraktisch gewesen.«
»Du hast recht«, sagte Marissa. »Probieren wir es noch einmal auf der Wendeltreppe!«
Sie begaben sich dorthin, stiegen ins Kellergeschoß hinunter und stießen die Tür auf. Der Flur dahinter war nur schwach erleuchtet, und soweit sie erkennen konnten, befand sich hier keine Menschenseele. Sie blieben eine Weile stehen, um zu lauschen, vernahmen aber kein Geräusch. Vorsichtig schlichen sie hinein und suchten weiter.
Die meisten Türen, die in die Richtung des Hauptgebäudes abgingen, waren verschlossen. Einige waren offen, erwiesen sich aber nur als Lagerräume. Schließlich bog der Flur selbst in Richtung auf das Hauptgebäude ab. Das machte ihnen wieder Mut.
Sie gingen weiter vor und spähten dann vorsichtig um die Ecke, um sich sofort wieder zurückzuziehen. Jemand kam auf sie zu. Fast im selben Augenblick hörten sie auch schon Schritte, die näherkamen und in dem schmalen Flur widerhallten.
Erschrocken rannten Marissa und Wendy zurück, auf die Fahrstühle zu. Viel Zeit blieb ihnen nicht, denn die Schritte wurden immer lauter. Hastig rüttelten sie unterwegs an allen Türen, in der Hoffnung, eine zu finden, die nicht verschlossen war.
»Hier!« flüsterte Wendy. Was sie entdeckt hatte, entpuppte sich als kleiner Abstellraum für die Hausreinigung. Lauter Aufwischeimer und Mops. Marissa schlüpfte als erste hinein. Wendy folgte und zog die Tür hinter sich zu.
Die Schritte kamen immer näher, und die beiden Frauen hielten den Atem an. Sie hatten keine Ahnung, ob man sie gesehen hatte oder nicht. Dann gingen die Schritte an
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