Marissa Blumenthal 02 - Trauma
die nächste Seite aufrufen, als Marissa sie zurückhielt und auf die Berufsangabe zeigte. »Was bedeutet denn das: ›Sachbearbeiterin im Gesundheitswesen‹?« fragte sie.
»Eine leichte Irreführung«, sagte Wendy. »Ich wollte ihnen nicht auf die Nase binden, daß ich Ärztin bin. Ich hatte Angst, dann würde die Sache zum General Hospital durchsickern, und meine Intimsphäre wollte ich doch gewahrt wissen.«
Marissa lachte. »Ich habe es genauso gemacht. Und aus dem gleichen Grund.«
»Es ist schon unheimlich zu beobachten, daß wir immer auf der gleichen Wellenlänge liegen«, sagte Wendy.
»Wir können jetzt also sämtliche Krankenunterlagen aufrufen«, sagte Marissa. »Was meinst du, wie wir am besten vorgehen sollen?«
»Theoretisch ist es ganz einfach«, sagte Wendy. »Wir müssen nur den Diagnosecode herausfinden, mit dem die durch Granulationsgeschwüre hervorgerufene Eileiterblockierung bezeichnet ist. Aber den müssen wir erst mal haben. Hoffentlich stoßen wir in deiner oder meiner Akte darauf. Es dürfte irgendeine Buchstabenund Zahlengruppe sein.«
»Wir können auch Rebecca Zieglers Unterlagen verwenden«, sagte Marissa und suchte die Sozialversicherungsnummer der Toten hervor.
Dann überflogen sie Wendys gesamte Akte, wobei sie die Seite mit dem pathologischen Ergebnis der Eileiter-Gewebeuntersuchung genau durchlasen. Als sie bis zur letzten Seite gekommen waren, waren
sie auf mehrere mögliche Codebezeichnungen gestoßen, die Marissa alle notierte.
»Was den Inhalt betrifft«, sagte Wendy, »so steht nichts darin, was ich nicht schon wußte. Zumindest nichts, was mich dazu bringen könnte, aus dem Fenster zu springen. Nehmen wir uns jetzt deine Akte vor!«
»Versuch es erst mal mit Rebeccas!« sagte Marissa und gab Wendy deren Sozialversicherungsnummer.
Wendy gab die Nummer ein und betätigte die Return-Taste. Auf dem Bildschirm erschien die Antwort des Computers: »Akte nicht gefunden.«
»Das habe ich befürchtet«, sagte Marissa. »Na schön, dann fordere meine Akte an!« Sie sagte ihre Sozialversicherungsnummer an, und Wendy gab sie ein. Bald leuchtete auf dem Bildschirm die erste Seite von Marissas Akte auf.
Wendy blätterte gleich bis zum Pathologiebericht weiter. Wieder lasen sie sorgfältig alles durch und fanden mehrere Codebezeichnungen wieder, die sie aus Wendys Akte notiert hatten.
»Das hier finde ich merkwürdig«, sagte Wendy. »Lies mal die mikroskopische Untersuchung!« Marissa tat es.
»Fällt dir etwas auf?«
»Eigentlich nicht«, sagte Marissa. »Worüber bist du denn gestolpert?«
»Mal sehen, ob es dir jetzt auffällt«, sagte Wendy, rief schnell noch einmal ihre eigene Akte auf und blätterte bis zur Pathologieseite weiter. »Jetzt lies mal den Bericht über die mikroskopische Untersuchung!«
Marissa kam der Bitte nach. Als sie fertig war, sagte sie: »Okay, was meinst du denn?«
»Hast du es immer noch nicht bemerkt?« fragte Wendy. »Einen Moment.« Sie warf ihre Akte hinaus und rief wieder Marissas Pathologieseite auf. »Lies das noch einmal!« sagte sie.
Als Marissa fertig war, sah sie ihre Freundin an. »Jetzt weiß ich, was du meinst«, sagte sie. »Die beiden Berichte stimmen überein, und zwar buchstäblich Wort für Wort.«
»Genau«, sagte Wendy. »Hältst du das nicht für eigenartig?« Marissa überlegte kurz. »Nein, eigentlich nicht«, sagte sie dann.
»Die Berichte wurden sicherlich nach Diktat geschrieben. Und bei ähnlich gelagerten Fällen diktieren die Ärzte häufig mechanisch immer denselben Text. Du hast doch bestimmt schon mal einen Chirurgen diktieren hören. Falls es sich nicht gerade um eine Komplikation handelt, hörst du jedesmal die gleichen Formulierungen. Als ich in der Chirurgie gearbeitet habe, ging es mir ebenso. Für mich deutet das nur auf eins hin: daß noch mehr solcher Fälle in der Frauenklinik aufgetreten sind. Und das habe ich ja von Anfang an vermutet.«
Wendy zuckte die Achseln. »Vielleicht hast du recht. Mir ist es jedenfalls gleich merkwürdig vorgekommen. Also, wieder zu unserem Vorhaben! Ich durchsuche jetzt mal die Datei, indem ich ein paar dieser Codebezeichnungen eingebe, die wir sowohl in deiner wie in meiner Akte gefunden haben.«
Wendy rief das Hauptmenü des Systems auf und probierte die verschiedenen Buchstabenund Zahlenkombinationen, die Marissa sich aufgeschrieben hatte. Der dritte Versuch brachte eine Liste von 18
Zahlengruppen auf den Bildschirm offensichtlich
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