Marissa Blumenthal 02 - Trauma
Wendy an. Es meldete sich Gustave.
»Leider nimmt sie keine Gespräche an«, sagte er.
»Ich verstehe«, sagte Marissa. »Wenn es geht, sagen Sie ihr, daß ich angerufen habe und sie bitte, mich zurückzurufen, sobald sie sich dazu aufgelegt fühlt!«
»Ich mache mir Sorgen um sie«, vertraute ihr Gustave an. »Noch nie habe ich sie so deprimiert gesehen. Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»Was meinen Sie«, fragte Marissa. »würde sie mich zu sich lassen, wenn ich hinüberkäme?«
»Das wäre durchaus möglich«, sagte Gustave.
Der Ton, in dem er das sagte, machte ihr Mut. »Ich mache mich sofort auf den Weg«, sagte sie.
»Vielen Dank. Ich weiß das zu schätzen. Und Wendy bestimmt auch.«
Marissa holte den Mantel aus dem Wäschezimmer und begab sich zu ihrem Wagen in die Garage. Gerade als sie beim Einsteigen war, tauchte Robert auf.
»Wo willst du denn um diese Zeit noch hin?« fragte er.
»Zu Wendy«, sagte Marissa und betätigte den automatischen Garagenöffner. »Ihr Mann macht sich wenigstens Sorgen um sie.«
»Was soll das nun wieder heißen?« wollte Robert wissen.
»Wenn du das nicht weißt«, sagte Marissa und stieg ein, »dann wird man es dir wohl kaum verständlich machen können.«
Marissa fuhr rückwärts aus der Garage und ließ die Tür wieder herab. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. So weit war es mit ihrer Beziehung zu Robert schon gekommen!
Die Fahrt bis zu Wendys viktorianischem Haus nahm nur eine Viertelstunde in Anspruch. Offenbar hatte Gustave auf sie gewartet. Noch bevor sie an der Haustür klingeln konnte, machte er ihr schon die Tür auf.
»Ich bin Ihnen wirklich dankbar, daß Sie noch zu so später Stunde hergekommen sind«, sagte Gustave und nahm ihr den Mantel ab.
»Gern geschehen«, sagte Marissa. »Wo ist Wendy?«
»Sie ist oben in ihrem Schlafzimmer. Wenn Sie die Treppe raufkommen, die zweite Tür rechts. Kann ich Ihnen irgendwas bringen? Kaffee, Tee?«
Marissa schüttelte den Kopf und stieg die Treppe hinauf.
Vor der Schlafzimmertür blieb sie stehen und lauschte. Von drinnen war nichts zu hören. Leise klopfte sie an. Als niemand antwortete, rief sie Wendys Namen.
Fast sofort wurde die Tür geöffnet.
»Marissa!« sagte Wendy in höchster Überraschung. »Was machst du denn hier?« Sie trug einen weißen Morgenrock aus Frotteestoff und Pantoffel. Ihre Augen waren noch immer gerötet und lagen tief in den Höhlen. Doch sonst schien sie in besserem Zustand zu sein als am Vormittag im Gericht.
»Gustave hat mir gesagt, daß du keine Anrufe entgegennimmst. Und daß er sich Sorgen um dich macht. Echte Sorgen. Er hat mir zugeredet herzukommen.«
»Ach, du meine Güte«, sagte Wendy. »So schlecht geht es mir nun auch wieder nicht. Klar, ich bin niedergeschlagen, aber zum Teil bin ich auch nur wütend auf ihn. Er will, daß ich der Frauenklinik auch noch für ihren Großmut, wie er es nennt, dankbar sein soll.«
»Robert denkt genauso«, sagte Marissa.
»Ich halte es nur für ein Verschleierungsmanöver«, sagte Wendy.
»Ich auch!«
»Wie ist dein Schwangerschaftstest ausgefallen?« fragte Wendy.
»Frag mich nur nicht!« sagte Marissa und schüttelte abwehrend den Kopf.
»Wie wäre es mit etwas zu trinken?« erkundigte sich Wendy. »Kaffee oder Tee? Ach, zum Teufel, da wir beide nicht schwanger sind, können wir uns doch ein Glas Wein leisten!«
»Das hört sich fabelhaft an«, sagte Marissa zustimmend.
Die beiden Frauen gingen in die Küche hinunter. Gustave erschien, aber Wendy schickte ihn weg.
»Er war aber wirklich besorgt«, sagte Marissa.
»Na, dann soll er ruhig ein bißchen leiden«, sagte Wendy. »Heute nachmittag war ich so wütend auf ihn, daß ich am liebsten mit dieser
30 Zentimeter langen Nadel auf ihn losgegangen wäre, die sie zur Eizellenentnahme benutzen. Dann hätte er mal eine Vorstellung davon bekommen, was ich in den letzten Monaten durchgemacht habe.«
Wendy öffnete eine Flasche teuren Chardonnay und führte Marissa in den Salon.
Nachdem sie es sich gemütlich gemacht hatten, sagte Marissa: »Ich wußte zwar nicht, ob du dazu in der Stimmung sein würdest, habe dir aber einen Artikel aus einem Ärztejournal zum Lesen mitgebracht.«
»Genau was ich mir gewünscht habe«, sagte Wendy ironisch. Sie stellte das Weinglas auf dem Kaffeetisch ab, ließ sich den Nachdruck von Marissa geben und schaute hinein.
Während Wendy den Artikel überflog, erzählte Marissa ihr alles, was sie von Dubchek erfahren hatte.
Wendy
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