Mark Beamon 01 - Der Auftrag
Er kniete sich auf seinen Rücken, hielt ihm die Waffe an den Kopf und beobachtete gespannt, was an seiner Haustür vor sich ging, die der andere Latino inzwischen erreicht hatte.
Er stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte durch ein großes Erkerfenster hinein. Trotz des Regens, der aus der überfließenden Rinne niederprasselte, verharrte er fast dreißig Sekunden in dieser Stellung. Dann streckte er die Hand aus und läutete, ehe er sich hastig neben die Tür gegen die Wand drückte.
Swenson schlich lautlos an der Vorderseite des Hauses entlang und versuchte, dem Wasserfall auszuweichen, der vom Dach herunterkam. Der Mann an der Tür hätte ihn eigentlich sofort sehen müssen, wenn er nicht gespannt in die andere Richtung geschaut hätte.
Hören konnte er ihn bei diesem Unwetter sicherlich nicht, doch irgendetwas warnte ihn offenbar – vielleicht die Regentropfen, die auf Swensons Schultern klatschten –, und er wirbelte herum.
Der Kampf dauerte nur kurz. Swenson gelang es, die Waffe, die auf ihn gerichtet war, wegzustoßen und den Mann zu packen. Er trat ihm die Füße weg und warf ihn auf den Backsteinboden der Veranda. Dabei löste sich ein Schuss. Hobart drückte unwillkürlich die Pistole fester an das Ohr seines Gefangenen und wartete angespannt. Zu seiner Überraschung war dessen leises Wimmern besser zu hören als der Schuss, der im Lärmen des Gewitters untergegangen war.
Er zerrte den Latino hoch und trieb ihn zum Haus. Robert Swenson sah etwas mitgenommen aus und hielt den zweiten mit der Waffe in Schach.
»Alles klar, Bob?«
Swenson schluckte schwer und nickte. Wortlos bedeutete er seinem Gefangenen aufzustehen.
Als sie die Kellertreppe hinuntergingen, wurde Hobart klar, dass er nie wieder in diesem Haus leben würde. Und nie wieder würde er den Namen John Hobart führen können. Die Drogenkartelle hatten die hässliche Angewohnheit, ungemein nachtragend zu sein. Eigentlich war ihm das, was er am meisten schätzte – seine Anonymität – genommen worden. Aber der Preis des Ruhms würde in seinem Fall eine Kugel in den Kopf sein.
»Meine Herren, darf ich Sie um Ihre Namen bitten? Ich weiß immer gern, mit wem ich rede.«
Die beiden Männer saßen unter einer nackten Glühbirne und waren derart mit dicken weißen Nylonseilen verschnürt, dass es schon fast komisch war. Swenson war wieder zum Lagerhaus gefahren, nachdem er sie gefesselt hatte.
Der Keller war typisch für die älteren Häuser Baltimores. Von verrottenden Deckenbalken tropfte Wasser auf den Lehmboden; die Zementwände waren pockennarbig, und in ungefähr einem Meter Höhe verlief eine dunkle Linie, was darauf hindeutete, dass der Keller gelegentlich unter Wasser gestanden hatte.
Hobart benutzte ihn kaum, und mit Ausnahme einer großen Werkbank gehörte das meiste den Vorbesitzern – alte Fahrräder, Golfschläger, eine Badewanne und ähnliches Gerümpel. Seit Jahren schon hatte er ihn ausräumen wollen, sich aber nie recht aufraffen können.
»Fick dich, Mann«, fauchte der Latino, den Swenson niedergerungen hatte, mit verzerrtem Gesicht. Seine Augen glühten vor Hass und Wut. Hobart schaute zu seinem Partner, der den Blick abwandte. Ihm war anzusehen, dass er Angst hatte. Diese Schwäche ließ sich ausnutzen.
Hobart stand auf und ging zur Werkbank.
»Was ist, wenn wir einfach losbrüllen, Mann? Das wird deinen Nachbarn bestimmt nicht gefallen«, sagt der Wütende in einem Englisch mit starkem Akzent.
»Hilfe! Ich werde umgebracht!«, schrie Hobart. »Vergesst es«, fuhr er in normaler Lautstärke fort. »Ihr seid im Keller eines Hauses, das auf einem Morgen Land steht, und draußen tobt ein Unwetter. Wer soll euch da hören?«
»Du bist so gut wie tot, Mann. Tot!«, schrie der Wütende, doch der Satz klang wie eine einstudierte Formel. Mühsam reckte er den Hals, um zu sehen, was Hobart tat. Der andere hielt regungslos den Kopf gesenkt.
»Vielleicht«, antwortete Hobart, »aber du zuerst.« Mit einer Ahle in der Hand trat er hinter ihn, hielt ihm Mund und Nase zu und drückte sie in seinen Nacken. Er musste sein ganzes Gewicht einsetzen, um den Schädelknochen zu durchdringen, der schließlich mit einem widerlichen Knirschen barst. Kreisförmig drehte er die Ahle in der Hirnmasse.
Hobart fühlte, wie die Muskeln des Mannes schlaff wurden, und ließ ihn los.
Der andere Latino, der eben noch wie leblos dagesessen hatte, fuhr hoch, als habe er einen elektrischen Stromschlag bekommen. Mit aller Macht versuchte
Weitere Kostenlose Bücher