Mark Beamon 01 - Der Auftrag
Papier, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Er griff nach dem Kaffeebecher, merkte aber, dass der Kaffee kalt geworden war und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
Es war kurz nach zehn am Montagmorgen.
Eigentlich war der Montag sein Lieblingstag. An diesem Morgen schrieb er stets seine Predigt und formulierte die Worte, mit denen er Millionen Zuschauer an ihre Fernsehgeräte fesseln und auf den Pfad der Tugend bringen würde. Aber heute wollte ihm einfach nichts einfallen.
Kaum hatte er sich an seinen Schreibtisch gesetzt, waren seine Gedanken zu seinem Sohn zurückgekehrt. Bilder von Joshs ›harmlosen‹ Experimenten mit Marihuana gingen ihm durch den Sinn und wurden immer beängstigender. Schon bald sah er seinen Sohn, wie er den ersten zögerlichen Zug an einem Joint nahm, dann einen älteren Josh, der vor einem Spiegel saß, auf dem sich Kokain häufte. Schließlich sah er ihn, alt und ausgemergelt, in einer mit Müll übersäten Gasse liegen. In seinem Arm steckte eine Spritze.
Blake wusste, dass er das nicht zulassen durfte.
Ein Klopfen an der Bürotür riss ihn zurück in die Realität. Er richtete sich in seinem Sessel auf und strich sich rasch mit einer Hand durch sein kurzes Haar.
»Herein.«
John Hobart trat ein und schloss die Tür. »Guten Morgen, Reverend. Sind Sie bereit für unser Gespräch?«
Blake stand auf und ging schweigend hinüber zum Konferenztisch. Hobart setzte sich zu ihm.
»Haben Sie einen Entschluss gefasst, Reverend?«
Blake schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich möchte gern noch einige Einzelheiten wissen.«
»Was denn, zum Beispiel?«
»Erklären Sie mir Ihre Vorstellungen, und ich sage Ihnen, wenn ich anfange, mich zu langweilen.«
Hobart räusperte sich. Er hatte gehofft, nicht allzu sehr in die Details gehen zu müssen. Sie würden dem Reverend nur Argumente gegen den Plan liefern. Und auf keinen Fall durfte er jetzt in letzter Minute wieder alles abblasen.
»Nun, zuerst würden wir uns auf Koks und Heroin konzentrieren – diese Drogen und alle, die daraus entwickelt werden, scheinen momentan das größte Problem zu sein. Ich gehe davon aus, dass nach den ersten … Opfern sämtliche Medien im ganzen Land darüber berichten werden, und jeder Süchtige wäre auf der Hut. Wir könnten also in kürzester Zeit mit einem beträchtlichen Rückgang des Konsums rechnen.«
»Was ist mit denjenigen, die wirklich süchtig sind? Glauben Sie, dass sie fähig wären, einfach aufzuhören?«
»Ich denke schon. Es gibt überall Programme, um solchen Leuten zu helfen; sie haben bisher nur keinen Anreiz gehabt, sie in Anspruch zu nehmen.«
Blake schien zufrieden mit dieser Antwort und bedeutete Hobart fortzufahren.
»Außerdem werden die meisten Drogen von Gelegenheitskonsumenten – nicht von Süchtigen – genommen, und wir können sicher davon ausgehen, dass sie sofort aufhören werden. Dadurch wird das ganze Drogengeschäft zusammenbrechen. Die Kartelle arbeiten genauso wie jedes andere Unternehmen. Kredit, Cashflow, Rentabilität, Warenbestand – das sind lauter Begriffe, die man auch bei einer Versammlung der Drogenbosse hören würde, das garantiere ich Ihnen. Plötzlich können sie das Produkt nicht mehr verkaufen, für dessen Herstellung und Vertrieb sie so viel bezahlt haben. Und es würde ihnen genauso ergehen wie Ford, wenn sie plötzlich keine Autos mehr verkaufen könnten. Schlicht gesagt, sie werden Pleite gehen. Und ohne ihre riesigen Umsätze können sie keine Politiker und keine Polizei mehr schmieren, hätten keinen Schutz und keinen Einfluss mehr auf die jeweiligen Machthaber, und ich denke, sie wären schneller am Ende als irgendjemand erwartet.«
»Sie haben von Opfern gesprochen. Wie viele?«
Das war ein Thema, das Hobart lieber ausgeklammert hätte. »Nicht viele«, log er. »Drogen sind in erster Linie ein Freizeitvergnügen. Ich denke, die Leute wären angesichts einer solchen Gefahr rasch bereit, auf dieses Vergnügen zu verzichten, meinen Sie nicht?«
Er kannte Blakes Antwort auf diese Frage. Der Prediger verstand sowieso nicht, warum überhaupt jemand Drogen nahm.
»Kosten?«
»Insgesamt rund eineinhalb Millionen«, erwiderte Blake, ohne mit der Wimper zu zucken. »Wenn die Sache erst einmal angelaufen ist, dürfte sie sich ganz von selbst finanzieren.«
»Und meine Beteiligung?«
Hobart lächelte. »Absolut gar keine. Sie lassen mich das Geld von Ihren Konten abziehen, und dann feuern Sie mich. Es gäbe keinerlei Möglichkeit, irgendeine
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