Mark Beamon 01 - Der Auftrag
es noch keine Drogen, keine Hippies und kein Vietnam gegeben hatte.
Nach ungefähr zehn Minuten stand er aus dem Sessel auf, schaltete den Apparat aus und ging zu seinem Schreibtisch. Er überzeugte sich mit einem Blick, dass die Tür geschlossen war, und griff nach dem Telefon. John Hobart saß in dem kleinen Büro, das er über seiner Garage eingerichtet hatte. Der Raum wurde nur vom Monitor seines Computers und einer kleinen Halogenlampe auf dem Schreibtisch erhellt. In den vergangenen zwei Stunden hatte er Blakes Offshore-Konten überprüft, was dank der technischen Fortschritte immer einfacher wurde. Und genau das beunruhigte ihn. Der Gedanke an einen übereifrigen Reporter, der mit Hilfe irgendeines ausgebufften Computerfreaks peinliche Informationen über die Kirche ausgrub, spukte ihm schon seit einer ganzen Weile im Kopf herum. Allerdings tat er, was nur möglich war, um zu verhindern, dass so etwas passierte, und es hatte keinen Zweck, sich Sorgen zu machen über Dinge, auf die er keinen Einfluss hatte.
Das Läuten des Telefons, das auf dem Bücherschränkchen hinter ihm stand, unterbrach seine Gedanken. Er hob beim ersten Klingeln ab. Es überraschte ihn nicht, dass es Blake war. Nur sehr wenige Leute kannten seine Privatnummer.
»Was kann ich für Sie tun, Reverend?«
»Erinnern Sie sich noch, worüber wir heute gesprochen haben? Ihre einfache Lösung für Amerikas Probleme?«
Blakes Stimme klang leise und so eindringlich, dass Hobart fast meinte, einen Anflug von Verzweiflung zu hören.
»Ja.« Er klemmte sich das Telefon zwischen Hals und Schulter und tippte weiter auf seiner Computertastatur.
»Sie haben gesagt, mit das Beste an dieser … Operation sei, dass zu ihrer Durchführung nicht viel Personal erforderlich sei.«
»Ob ich exakt diese Worte benutzt habe, weiß ich nicht mehr, aber worauf wollen Sie hinaus, Reverend?«
Für einen Moment herrschte Schweigen in der Leitung.
»Könnte eine kleine Organisation mit beträchtlichen finanziellen Mitteln so etwas ohne Beteiligung der Regierung durchführen?«
Hobart hörte auf zu tippen und konzentrierte sich zum ersten Mal ganz auf das Gespräch. »Eine interessante Frage, Reverend.« Er überlegte kurz. »Sicher, ich sehe keinen Grund, warum nicht.«
»Wären Sie daran interessiert, bei einer solchen Organisation dabei zu sein?«
Hobart konnte kaum seinen Ohren trauen, und einen Moment lang dachte er, er habe Blake missverstanden. Hastig ging er im Geist das bisherige Gespräch noch einmal durch und kam zu dem Schluss, dass er sich nicht geirrt hatte.
»Ich bin vermutlich der einzige Mann für diesen Job«, erwiderte Hobart überzeugt. Andere Männer würden zusammenbrechen angesichts der anfallenden Opfer, das wusste er, oder Fehler machen, die das FBI schnurstracks auf ihre Spur führen würde. Er dagegen kannte keine moralischen Skrupel und wusste zudem bestens über polizeiliche Ermittlungsmethoden Bescheid.
»Lassen Sie uns morgen darüber sprechen. Um elf.« Damit war das Gespräch beendet.
Ziemlich verblüfft saß Hobart in seinem dämmrigen Büro. Er hatte schon öfter erlebt, dass der Reverend voreilige Beschlüsse fasste, aber gewöhnlich kam er innerhalb weniger Tage wieder zur Besinnung. Vermutlich würde er dieses Gespräch am Morgen schon bereuen und bis elf Uhr ganz vergessen haben. Auch das hatte er schon erlebt.
Er schaltete den Computer und die Lampe aus und ließ seine Gedanken schweifen. Unzählige Szenarien für eine solche Operation gingen ihm durch den Sinn. Er würde bei seinem Treffen mit Blake die Opferzahlen und die Kosten herunterspielen, doch vor allem einen Plan entwickeln müssen, bei dem für Blake keinerlei persönliches Risiko bestand.
Hobart zog seine Knie an die Brust und stützte die Fersen auf die Kante des Stuhls. Erst jetzt wurde ihm klar, wie verbittert er immer noch war durch das, was er bei der DEA erlebt hatte. Jahrelang hatte er mit den üblichen gesetzlichen Mitteln versucht, gegen die weltweit operierenden Drogenkonzerne zu kämpfen und eine Niederlage nach der anderen erlitten. Dabei waren seine Gegner ihm vom Intellekt her weit unterlegen. Jetzt hatte er die Gelegenheit, ihnen alles heimzuzahlen und zwar mit Methoden, bei denen selbst die gnadenlosesten Killer der Drogenkartelle zurückzucken würden. Endlich eine Chance, diese Verbrecher mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.
3. Kapitel
Baltimore, Maryland 16. Oktober
Reverend Simon Blake starrte schweigend auf das weiße Blatt
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