Mark Beamon 01 - Der Auftrag
er sich wahrscheinlich mit einer ordentlichen Dosis Heroin für ihr Treffen gestärkt hatte. Sicher hatte er die zehntausend Dollar, die er bei seinem ersten Besuch dagelassen hatte, gleich in Stoff investiert.
»Was hast du für mich?«
Manion ging zu einem großen Bücherstapel, der letztes Mal noch nicht da gewesen war. Die Einbände waren frei von Staub und Gläserringen, die sonst alles andere im Haus bedeckten.
»Orellanin«, sagte Manion und hielt ein Buch hoch.
»Wie?«
»Orellanin. Das ist genau das Richtige für Sie.« Manion war merklich munterer geworden. Sein fanatisches Interesse an Drogen und Chemie schien ihn den Grund für ihre Unterhaltung völlig vergessen zu lassen.
»Nie davon gehört.«
»Wundert mich nicht, Mann. Es wird aus einem Pilz gewonnen, der hauptsächlich in Polen wächst. Der Cortinarius orellanus.«
Hobart schaute ihn ungläubig an. Wollte der Kerl sich etwa über ihn lustig machen? Einen Moment lang fragte er sich sogar, ob etwa die Polizei schon draußen vor der Tür stünde, aber das war ausgeschlossen. Er hatte sich vorsichtshalber noch mal die Bänder angehört, die er mit Hilfe der installierten Wanzen aufgezeichnet hatte, und war durch das ganze Haus gegangen, ehe sein Bewohner gekommen war. Er griff nach der 45er und richtete sie auf den überraschten Peter Manion.
»Ich bin heute nicht in der Stimmung für Scherze, Petey. Überhaupt nicht.«
Manion ließ das Buch fallen und wich mit ausgestreckten Händen in eine Ecke. »Nicht schießen, Mensch! Ich meine es ernst. Dieses Zeug ist perfekt.«
»Ich höre. Aber ich hoffe für dich, du hast in deinem gescheiten Kopf was wirklich Brauchbares ausgebrütet.«
Manion ging langsam um das zerlumpte Sofa herum, ohne Hobart den Rücken zuzuwenden. Als er sich setzte, stieg eine Staubwolke rings um ihn auf. »Na ja, das Problem beim Vergiften von Koks und Heroin liegt nicht darin, das Zeug in die Drogen reinzukriegen – das ist leicht. Das Problem beginnt bei der Verteilung.«
Hobart lehnte sich zurück und zog einen kleinen Block aus seiner Jackentasche. Er kramte nach einem Stift. »Weiter.«
Manion, der sich jetzt wieder etwas wohler zu fühlen schien, fuhr fort. »Sagen wir mal, Sie kippen einfach einen Haufen, na … meinetwegen Arsen in ein Fass, in dem man Koks zusammenbraut. Kein Problem, ist ganz leicht, stimmt’s?«
Hobart nickte.
»Aber es würde überhaupt nichts bringen. Beim Kauf probiert meist der Dealer den Stoff, damit man ihm nicht einfach zwanzig Kilo Babypuder andreht. Tja – und dann kippt er tot um. Wer kauft danach noch den Dreck?«
Hobart zuckte die Schultern. Ein berechtigter Einwand. »Und was wäre die Lösung?«
»Hab ich doch schon gesagt. Orellanin.« Manion hob das Buch auf, das er fallen gelassen hatte, und hielt es an seine Brust. Hobart konnte nur das Bild eines Pilzes auf dem Umschlag erkennen.
»Das Tolle an diesem Zeug ist, dass es so was wie eine um zwei Wochen verspätete Reaktion hat. Angenommen, man setzt sich einen Schuss.« Er tat, als spritze er sich etwas in den Arm. »Du fühlst dich toll, während das Gift sich auf den Weg zu deiner Leber und den Nieren macht. Und wenn du anfängst, dich beschissen zu fühlen, ist es längst zu spät. Deine wichtigsten Organe sind Matsch. Die einzige Möglichkeit, dich zu retten, ist eine Transplantation – und dafür ist nicht mehr genug Zeit.«
»Was ist, wenn ein Arzt es frühzeitig herausfindet? Könnte er dem Patienten ein Gegenmittel geben?«
»Es gibt keins, Mann. Ich glaube, ein paar Leute, die diese Pilze gegessen haben, sind gerettet worden, indem man ihnen sofort den Magen ausgepumpt hat. Das bringt aber hier nichts, da man Koks und Heroin nicht isst. Natürlich könnte ein kompletter Blutaustausch gleich nach der Vergiftung vielleicht was nutzen. Aber das vermute ich bloß.«
»Also muss ich eine Ladung Pilze zerquetschen?«
»Nee, das Gift muss extrahiert werden, aber das ist kinderleicht.«
Hobart lächelte. »Du wirst bestimmt keinerlei Schwierigkeiten damit haben.«
»He, Mann, ich hab nicht gemeint …«
»Ich habe ein hübsches Lagerhaus«, unterbrach ihn Hobart. »Wir statten dich aus mit allem, was du brauchst. Warte ab, wir stellen dir ein Labor zusammen, auf das selbst eine Uni neidisch wäre.«
Manion vermisste es oft, nach Herzenslust experimentieren zu können, und der Gedanke, wieder einmal umgeben zu sein von dampfenden Glaskolben, Bunsenbrennern und Mikroskopen, schien ihm sichtlich zu
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