Mark Beamon 01 - Der Auftrag
sich unangenehm in Hobarts Rippen.
»Haben Sie es bequem?«, fragte Orloski strahlend, als sei der Wagen ein Rolls-Royce. Der gequälte Ausdruck auf dem Gesicht seines Beifahrers schien ihm völlig zu entgehen.
»Ja, klar, Lech. Alles prima.«
»Wunderbar!«
Zufrieden trat Orloski aufs Gas, und der kleine Wagen schoss auf die Straße. Die Fahrt durch die Stadt schien endlos. Stolz zeigte der Pole ihm dutzendweise historische Sehenswürdigkeiten. Kaum war er halb fertig mit seinem Vortrag über die eine, als schon die nächste in Sicht kam und er sich sofort in neue Erläuterungen stürzte. Nach einer geschlagenen Stunde verließen sie endlich die Stadt und erreichten freies Land.
Der Wind, der in Warschau geweht hatte, wurde noch stärker. Durch das sanfte Schaukeln des Wagens und Orloskis Gewohnheit, dicht auf andere Fahrzeuge aufzufahren und dann auf die Bremse zu treten, wurde Hobart allmählich ziemlich mulmig zumute. Er konzentrierte sich auf die nebelverhangene Landschaft und überhörte die pausenlosen Ausführungen seines Gastgebers über Polen und die traurige Geschichte seiner Vorfahren.
Nach ungefähr einer Dreiviertelstunde sahen sie auf einer windigen Anhöhe zu ihrer Rechten eine Gruppe gebeugter Bauern, die irgendwas zu ernten schienen.
»Da sind unsere Pilze.« Vorsichtig bog Orloski auf einen schlammigen Feldweg ein und hielt an, stieß die Tür auf und begann das mühsame Unterfangen, sich aus dem Wagen zu zwängen. Er musste sich beeilen, um Hobart einzuholen, der bereits den Weg hinaufgegangen war.
»Ich habe diese Stelle ein paar Tage nach unserem Gespräch gefunden«, keuchte er. »Der Mann, dem das Land gehört, erlaubt uns gegen eine kleine Gebühr, die Pilze zu sammeln. Ich glaube sogar, dass ich einige aus seiner Familie als Helfer angeheuert habe.« Orloski blickte prüfend über die Männer und Frauen und versuchte, ein Familienmitglied des Besitzers auszumachen. Hobart war nicht interessiert daran, sonst noch irgendjemanden in Polen kennen zu lernen, und wechselte das Thema.
»Wie viele Leute arbeiten hier für Sie?«
»Oh, ziemlich viele. Ich schätze, ungefähr fünfzig. Sie brauchten die Pilze so rasch, wissen Sie? Ich denke, ich habe fast jeden über zehn und unter siebzig aus Takestek angestellt.«
»Takestek?«
»Ein Dorf in der Nähe. Die Bewohner sind sehr glücklich über den fairen Lohn, den ich ihnen zahle.«
Hobart fragte sich, was er wohl für einen fairen Lohn hielt. Einen Dollar pro Tag? Weniger?
Als sie den Hügel hinaufstiegen, konnte Hobart deutlich den Pfad sehen, den die Bauern gebahnt hatten. Vor ihnen wuchsen die Pilze überraschend dicht; hinter ihnen war nur noch eine glatte braungrüne Grasdecke. Auf dem schlammigen Weg parkte ein alter Kleinlaster. Ein junger Mann in Jeans und Gummistiefeln begutachtete einen Stapel Pilze zu seinen Füßen.
Er schaute kurz auf, winkte Orloski zu und kam ihnen entgegen. Er küsste den Polen auf beide Wangen und reichte Hobart die Hand. Aus der Nähe sah er viel jünger aus.
»Das ist mein ältester Sohn Paul. Paul, ich möchte dir Dr. Stapleton vorstellen.«
»Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Doktor.« Sein Englisch hatte nur einen leichten Akzent.
Hobart folgte ihm zu den Pilzen.
»Ich glaube, dass wir ungefähr die Menge zusammenhaben, die Sie möchten«, berichtete Paul, »aber wir haben die Arbeiter bis drei Uhr bezahlt, deshalb habe ich gedacht, wir lassen sie auch bis dahin weitermachen. Es ist Ihnen doch recht, wenn es ein paar Kilo mehr sind?« Er erwartete offensichtlich ein Lob für seine Beflissenheit. Dass man sich bemühte, einen Kunden zufrieden zu stellen, war in Polen längst nicht selbstverständlich.
»Das ist sogar fantastisch«, versicherte Hobart. »Je mehr ich habe, desto mehr Menschen kann ich helfen.«
Hobart hatte Orloski erzählt, dass er die Pilze für ein Forschungsprojekt an der Medizinischen Fakultät der Universität von North Carolina brauche. Sie enthielten einen chemischen Wirkstoff, der hilfreich sein könnte bei der Krebsbehandlung.
»Wie lange noch?«, fragte Orloski.
»Es ist jetzt Viertel nach zwei – noch fünfundvierzig Minuten.«
»Möchten Sie sie gern gleich inspizieren oder warten, bis Paul fertig ist?«
»Oh, ich glaube nicht, dass ich sie überhaupt inspizieren muss«, sagte Hobart. »Ich bin Chemiker, kein Botaniker.
Deshalb habe ich mich auch an den führenden Experten in Osteuropa gewandt.«
Orloski lächelte geschmeichelt. »Dann gehen wir
Weitere Kostenlose Bücher